In der Kindertagespflege ist die Gruppengröße bekanntlich kleiner als in Kitas. Doch welche Regelungen gelten in Bezug auf den sogenannten Betreuer-Kind-Schlüssel genau? Wir haben Dr. Eveline Gerszonowicz gefragt. Sie ist wissenschaftliche Referentin des Bundesverbandes für Kindertagespflege.
Frau Dr. Gerszonovicz, wo liegt aktuell die Betreuungsquote in der Kindertagespflege und wie kommt diese zustande?
Die Kindertagespflege hat denselben Auftrag der Bildung, Erziehung und Betreuung, wie eine Kindertageseinrichtung. Dazu gehört auch, dass Kinder voneinander lernen. Das heißt, es ist schön, wenn mehrere Kinder zusammen von einer Tagesmutter oder einem Tagesvater betreut werden. Bundesdurchschnittlich sind es etwa drei Kinder pro Kindertagespflegeperson. Das entspricht genau dem, was für Kinder unter drei Jahren EU-weit empfohlen ist. Maximal kann eine Kindertagespflegeperson bis zu fünf Kinder gleichzeitig betreuen.
Im Schnitt drei, maximal fünf Kinder pro Kindertagespflegeperson
Wo gibt es die größten regionalen Unterschiede?
In den östlichen Bundesländern oder in Ballungsräumen werden zumeist etwas größere Gruppen betreut als in den westlichen Bundesländern oder in ländlichen Gebieten. Das hat unter anderem die Ursache, dass die Kindertagespflege dort, wo sie die zurückgehende Struktur der Kindertageseinrichtungen ausgleicht und dort, wo viele Betreuungsplätze benötigt werden, entsprechend flexibel reagieren kann. Andernorts, wo sehr junge Kinder traditionell eher von ihren Eltern (meist den Müttern) betreut werden oder auch nur wenige Kinder wohnen, die betreut werden müssen, ist die Kindertagespflege vornehmlich mit nur wenigen Kindern anzutreffen (Welche Relationen bundesweit Kinder verschiedenen Alters gelten, zeigen die Ergebnisse des Ländermonitors.)
Wie hat sich die Betreuer-Kind-Relation in der Kindertagespflege in den letzten Jahren verändert?
Früher brauchten Kindertagespflegepersonen keine Erlaubnis, wenn sie bis zu drei Kinder betreut haben. So kamen viele Betreuungsverhältnisse zustande, die nur zwischen Eltern und Kindertagespflegeperson vereinbart wurden. Seit 2005 finanzieren die öffentlichen Jugendhilfeträger die Kindertagespflege so, wie auch die Kindertageseinrichtungen. Kindertagespflegepersonen brauchen nun in jedem Fall eine Erlaubnis und entsprechende Qualifizierungen.
Inwiefern betreffen Informationen und Diskussionen rund um den Betreuungsschlüssel auch die Eltern?
Eltern möchten, dass ihre Kinder gut betreut sind und individuell gefördert werden. Das bedeutet auch, dass die Betreuungsperson genug Zeit hat, sich einzelnen Kindern zuzuwenden. In der Kindertagespflege mit der maximalen Gruppengröße von fünf Kindern bzw. von bis zu zehn Kindern, wenn zwei oder mehr Kindertagespflegepersonen zusammenarbeiten, kann dieser Anspruch gut umgesetzt werden.
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Rücksicht auf individuelle Bedürfnisse: Manche nehmen bewusst weniger Kinder auf
Experten fordern eine bessere Bezahlung für Kindertagespflegepersonen, um die Zahl der Kinder zu reduzieren und damit die Qualität verbessern zu können. Gibt es Ansätze in diese Richtung?
Leider ist vielerorts ein auskömmliches Einkommen überhaupt nur dann zu erzielen, wenn eine Kindertagespflegestelle mit fünf Kindern maximal ausgelastet ist. Viele Kindertagespflegepersonen nehmen aber mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der ganz Kleinen oder der Kinder mit besonderem Förderbedarf weniger Kinder auf. Einen guten Ansatz zeigt die Stadt Göttingen: Hier wurde zur Sicherung der Betreuungsqualität von sehr jungen Kindern in der Satzung festgelegt, dass eine Kindertagespflegeperson bei der Betreuung von drei Kindern, von denen mindestens eines unter zwei Jahren alt ist, die Finanzierung auch für den vierten und fünften Platz erhält – selbst wenn diese nicht belegt sind. Bei dieser Regelung brauchen die Kindertagespflegepersonen nicht so viele Kinder betreuen.
Spielt der Betreuungsumfang der Kinder eine Rolle bei der Bezahlung?
Häufig werden Zeiten, in denen Kinder sehr früh am Morgen, spät am Abend, über Nacht oder an Wochenenden betreut werden, gesondert bezahlt.
Wie sieht es mit verlässlichen Vertretungsregelungen aus?
Für Vertretungsregelungen ist der öffentliche Jugendhilfeträger verantwortlich. Er muss sowohl für die Randzeitenbetreuung als auch für die Zeit, in der eine Kindertagespflegeperson wegen Urlaub, Krankheit und Fortbildung nicht verfügbar ist, finanzielle Regelungen treffen. Vielerorts erhalten Kindertagespflegepersonen auch bei Fehlzeiten ein Entgelt. Leider ist das noch nicht überall der Fall.
Wie wird die Betreuung von Kindern mit besonderem Förderbedarf geregelt?
Die Betreuung von Kindern mit besonderem Förderbedarf ist häufig an die Voraussetzung geknüpft, eine spezielle Qualifizierung dafür zu absolvieren. In Fachkreisen halten wir das für sehr sinnvoll und absolut notwendig. Da die Kinder in der Regel sehr jung sind, wenn sie zur Kindertagespflegeperson kommen, stellt sich häufig erst im Laufe der Entwicklung ein besonderer Förderbedarf heraus. Selten sind Behinderungen bereits in den ersten Lebensmonaten in ihrer gesamten Ausprägung erkennbar. Kindertagespflegepersonen sind immer in der Situation, dass sie die Kinder so annehmen, betreuen und fördern, wie sie ihnen begegnen. Das Thema Inklusion ist für sie also selbstverständlich.
Mehr Plätze und bessere Anerkennung der Arbeit würden Qualität in der Kindertagspflege verbessern
Wird diese besondere Herausforderung finanziell anerkannt?
Das ist bundesweit unterschiedlich. In Berlin beispielsweise wird ein Zuschlag bezahlt, wenn ein Kind mit besonderem Förderbedarf betreut wird. Dieser Zuschlag kann bei einem Kind mit einer Behinderung oder mit einer chronischen Krankheit bis zu 100 Prozent betragen. Für die Betreuung eines Kindes mit Fluchthintergrund erhalten Kindertagespflegepersonen unter Umständen einen Zuschlag von 30 Prozent. Im rheinland-pfälzischen Bad Dürkheim wird für die Betreuung eines Kindes mit einer Behinderung oder einer chronischen Krankheit der doppelte Satz bezahlt. Auch solche Regelungen ermöglichen es den Kindertagespflegepersonen, nicht alle Plätze belegen zu müssen.
Wie könnte die Qualität in der Kindertagespflege noch verbessert werden?
In erster Linie sollten die EU-Empfehlungen (Betreuer-Kind-Schlüssel 1:2 bei Kindern unter einem Jahr, 1:3 bei Kindern bis drei Jahren und 1:5 bei älteren Kindern) Beachtung finden, und zwar nicht nur in der Belegung der Plätze, sondern auch in der Finanzierung und der Anerkennung der geleisteten Arbeit. Das wäre ein großer Schritt in Richtung Qualitätsverbesserung.
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