vierzehn − vier =

sechs − vier =

Wird die Betreuungssituation in Kitas thematisiert, ist meist vom Fachkraft-Kind-Schlüssel oder der Fachkraft-Kind-Relation die Rede. Die Begriffe stehen für das berechnete beziehungsweise tatsächliche Verhältnis der Erziehenden zu den Kindern, beispielsweise 1:8 oder 1:6, das heißt eine Fachkraft alleine ist für sechs bzw. acht Kinder verantwortlich. Sicherlich jedes Elternteil wurde schon einmal mit entsprechenden Zahlen, Schwellenwerten oder Berechnungsgrundlagen konfrontiert. Doch was steckt hinter diesen – notwendigen – Zahlenspielen? Wie lassen sich diese an konkreten Dingen im Kita-Alltag festmachen?

Unterstützung beim Anziehen: Kinder spüren, ob sie vom Personal nur „abgewickelt“ oder individuell betreut werden (© DKJS/P.Chiussi).

Für Kinder ist das Erlebte entscheidend

Kinder, Eltern und Erzieher bekommen immer das tatsächliche Personalverhältnis mit, also die Fachkraft-Kind-Relation. Aus ihrer Perspektive setzt sich eine gute oder weniger gute Relation also aus vielen kleinen und großen, unterschiedlich erlebten Einzelmomenten zusammen. Mit einer wichtigen Ausnahme: Im Gegensatz zu den Erwachsenen verstehen Kinder Ursachen und Auswirkungen der Personalsituation noch nicht. Für sie ist die Fachkraft-Kind-Relation ausschließlich erlebbar. Sie generiert sich gewissermaßen aus dem Gefühl, an einem sicheren und guten Ort zu sein, angeleitet oder eigenständig spielen zu können und regelmäßig auch mit einer Vertrauensperson alleine Zeit zu haben – für Zuspruch, Ermutigung oder auch mal Trost.

„Jede Alltagssituation in der Einrichtung ist eine Lerngelegenheit für das Kind und gleichzeitig seine Information darüber, wie es von Erwachsenen wahrgenommen wird“, sagt Valeska Pannier, Entwicklungspsychologin und Programmleiterin „Qualität vor Ort“ der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. „Wenn in einer Kita langfristig Stellen unbesetzt sind oder Kolleginnen erkranken, dann erhöht das den Stress für alle anderen im Team. Wir wissen, auch aus vielen Rückmeldungen der Fachkräfte und Eltern selbst, dass sie trotz schwieriger Rahmenbedingungen sehr engagiert arbeiten. Gleichzeitig gibt es Teams, in denen die hohe Beanspruchung auch zu einer gereizten Stimmung führt. Für kleine Kinder kann das besonders belastend sein, weil sie nicht wissen, warum die Erwachsenen gestresst sind. Sie beziehen jede Art von Anspannung – und sei sie nur der Personalsituation geschuldet – auf sich selbst.“

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Erfüllen der Grundbedürfnisse als Lernchance

Zwar macht es einem Kind vielleicht nicht viel aus, wenn das Spiel-Angebot bei Personalknappheit mal weniger differenziert ausfällt. Doch schon beim Erfüllen seiner Grundbedürfnisse spürt es, ob es im wahrsten Sinne des Wortes nur „abgewickelt“ wird: Unterhält sich die Bezugsperson beim Windelwechsel mit mir? Gibt sie uns beim Mittagessen die Möglichkeit zum Austausch von Erlebtem? Ist sie ungeduldig, wenn ich den direkten Kontakt suche oder etwas ausprobieren möchte? „Selbst, wenn die Kinder erst einmal gut versorgt sind, so gehen durch einen ungünstigen Personalschlüssel doch sehr viele Chancen verloren, in denen das Kind etwas Gutes für sich lernen könnte“, sagt Valeska Pannier. „Um gute pädagogische Arbeit zu leisten und sogar zusätzliche Herausforderungen wie etwa Inklusion zu meistern, brauchen die Fachkräfte spezielle Handlungsfreiräume.“

Dem Personal fehlt oft Zeit für die Umsetzung pädagogischer Konzepte

Der Erzieherinnenberuf ist per se körperlich und emotional sehr anspruchsvoll. Die permanenten Beziehungsaufforderungen durch Kinder, Eltern und Kollegen werden im Falle einer dünnen Besetzung nochmals verstärkt. Zudem bleiben dann auch pädagogische Konzepte teilweise auf der Strecke. Denn wenn sie mit einer großen Anzahl von Kindern unterschiedlichen Alters alleine sind, müssen Erziehende für besondere Aktivitäten auch besonders viel Energie aufwenden. „Gut ausgebildete Fachkräfte wissen genau, nach welchem Konzept sie eigentlich arbeiten wollen, doch eine faktische ‚Notbetreuung‘ lässt dies häufig nicht zu. Das birgt zusätzliches Frustrationspotenzial in einem Berufsbild, das viele Fachkräfte aus Überzeugung wählen“, verdeutlicht Valeska Pannier das Dilemma. „Wenn zu einer extremen Arbeitsbelastung noch fehlende Wertschätzung durch das Umfeld hinzukommt, ist das Risiko für stressbedingte Erkrankungen besonders hoch. Dadurch verschärft sich die Personalsituation oft zusätzlich.“

Freiräume für Dokumentation wichtig

Was zur Wertschätzung beitragen kann, ist unter anderem die begleitende Dokumentation der kindlichen Entwicklung, anhand derer Eltern und Kinder selbst sehen können, welche Projekte sie gerade beschäftigen und welche Lernfortschritte sie machen. Das Feedback funktioniert hier in zwei Richtungen und stärkt die positive Beziehung zwischen Familien, Kindern und den Pädagoginnen. Um die Kinder – einzeln oder als Gruppe – zu diesem Zweck intensiv zu beobachten, ziehen sich Erziehende punktuell aus dem Gruppengeschehen zurück. Doch hierfür brauchen sie wiederum Kolleginnen, die sie unterstützen, ihre Bildungs- und Betreuungsaufgaben für diese Zeit übernehmen und die Beobachtungen anschließend gemeinsam besprechen.

Welche motorischen Fortschritte macht das Kind? Die Lerndokukentation erfordert Zeit, die oft fehlt (© DKJS / P. Chiussi).

Auch die Aufbereitung dieser Beobachtungen, beispielsweise in Form eines Portfolios, eines Lerntagebuchs oder einer Lerngeschichte, braucht Zeit. Fehlt diese im Alltag, fällt die Dokumentation „hinten über“ und damit auch die Chance für Eltern und Kinder, sich direkt über das individuelle „groß werden“ zu informieren – außerhalb der persönlichen Entwicklungsgespräche und halbjährlichen Infoabende über die Bildungsarbeit in der Kita.

Bring- und Abholsituation ist zentral für Eltern

Die Informationen, die die Fachkräfte den Eltern im direkten Gespräch „zwischen Tür und Angel“ geben, sind im Vergleich zur Lern- und Entwicklungsdokumentation eher punktueller Natur und beziehen sich meist auf einzelne, besondere Ereignisse des Tages. Auch hier ist es nicht selbstverständlich, dass die Bezugsperson beim Bringen oder Abholen des Kindes gerade Dienst oder gar Zeit für ein Gespräch mit den Eltern hat. In Stresssituationen besteht vielmehr die Gefahr, dass dieser Moment vernachlässigt wird. „Es ist jedoch wichtig, das Übergaberitual trotz Personalknappheit positiv zu gestalten“, betont Valeska Pannier. „Denn für die Eltern ist es, außerhalb der Eingewöhnung oder einer direkten Hospitation, die einzige Gelegenheit, mitzubekommen, wie das Zusammenspiel der Fachkräfte miteinander funktioniert und wie die Pädagoginnen mit ihren Kindern umgehen.“

Eltern erfahren Personalsituation eher indirekt

Tatsächlich erfahren Eltern die Auswirkungen der Personalsituation direkt nur beim Bringen und Abholen. Umso mehr sind sie auf indirekte Informationen angewiesen. Neben den oben genannten Berichten des Personals sind das vor allem Erzählungen und Signale ihrer Kinder: Wie ist es gelaunt? Hat es, wenn es schon spricht, viel zu erzählen? Ist es körperlich ausgelastet und mental ausgeglichen? Hat es einen Ausflug gemacht oder bringt es etwas selbst Gebasteltes mit? Je nach Alter der Kinder sowie der Verfügbarkeit des Personals beim Bringen und Holen haben die Eltern aus ein und derselben Gruppe möglicherweise ein ganz unterschiedliches Bild von der Betreuungssituation. Deshalb hilft auch der Austausch der Eltern untereinander, um die Fachkraft-Kind-Relation in der eigenen Kita realistisch einzuschätzen.

Qualität in Kitas ist mehr als der Personalschlüssel

Valeska Pannier, Entwicklungspsychologin und Programmleiterin „Qualität vor Ort“ der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (© DKJS / P. Chiussi).

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass sich die Arbeit in Kitas verbessert, wenn mehr Personal zur Verfügung steht. Daher ist die Optimierung des Fachkraft-Kind-Schlüssels auch die Priorität aller, die sich hierzulande mit Qualität in Kitas auseinandersetzen. „Eine bessere Fachkraft-Kind-Relation ist aber noch keine Garantie für eine gute Qualität“, betont Valeska Pannier. „Einrichtungen, die mehr Fachkräfte pro Kind einsetzen können, leisten nicht automatisch eine bessere pädagogische Arbeit. Sie haben aber grundsätzlich bessere Voraussetzungen dafür, die Arbeit zu machen, die sie auch machen wollen.“ Bei der Berechnung des Fachkraft-Kind-Schlüssels und der Beurteilung von Qualität in Kitas spielen zahlreiche weitere Faktoren eine wichtige Rolle.

Eltern sollten Verständnis zeigen, Unterstützung anbieten

Haben Eltern das Gefühl, dass dauerhafte Krankheitsausfälle oder ungünstige Vertretungslösungen den Kita-Alltag beeinträchtigen, können und sollten sie aktiv werden. Es hilft jedoch wenig, mit Beschwerden einzelne Personen an den Pranger zu stellen oder den Druck auf das Team oder die Leitung noch weiter zu erhöhen. Mögliche Missstände sollten aber auch nicht am Personal vorbei an den Träger kommuniziert werden: „Idealerweise zeigen die Eltern Verständnis für die Situation, suchen den Schulterschluss mit dem Personal und bieten im Rahmen ihrer Möglichkeiten Unterstützung an“, schlägt Valeska Pannier vor. „Eltern sollten nicht unterschätzen, dass sie selbst auch eine wichtige Stimme im politischen Diskurs haben.“ Wenn sie sich um eine freundliche Atmosphäre bemühen, die positive Kommunikation fördern und sich gemeinsam mit anderen stark machen, vermitteln Eltern ihrem Kind außerdem, dass die Kita ein wichtiger und guter Ort ist – für es selbst und für die Familie.

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