Wie Kinder außerhalb der Kita erleben, entdecken und lernen
In der Grundschule und auch später gehören sie dazu – die außerschulischen Bildungsorte. Doch auch in der frühkindlichen Bildung haben sie Einzug gefunden und so ist das Lernen, Experimentieren und Entdecken an Orten jenseits der vier Wände aus vielen Kitas nicht mehr weg zu denken.
Wie genau Bildung an anderen Orten in der Praxis aussehen kann und wie die Kinder, Eltern und auch die Fachkräfte davon profitieren, davon berichtet Nadja Heinbuch, Leiterin des Katholischen Kindergartens St. Gisela in Bamberg, der Teil des Bündnisses „Aus der Gereuth, für die Gereuth“ ist. Das Bündnis wurde für seine Arbeit und sein Engagement mit dem ersten Platz beim Deutschen Kita-Preis 2020 in der Kategorie „Lokales Bündnis für frühe Bildung des Jahres“ ausgezeichnet.
Rund um Kita: Wie profitieren Kinder vom Lernen an Orten außerhalb der Kita-Räumlichkeiten?
Nadja Heinbuch: Zunächst: Kinder interessieren sich besonders für Dinge, die sie spannend finden:
- Ein Ausflug zur Feuerwehr ist beispielsweise spannender, als nur darüber zu sprechen.
- Die Brötchen oder das Brot, welches wir fast täglich zum Frühstück essen, mal selbst in der Backstube zu backen ist natürlich aufregender, als es nur gekauft zu essen. Und eine Backstube ist interessanter als die Küche im Kindergarten. Kinder lernen durch Emotionen und wenn sie aktiv sind. Das wird dadurch besonders deutlich.
Partizipation & Selbstwirksamkeit
Für die Kinder ist es aber auch besonders wertvoll, dass sie auch über den Kindergarten hinaus ihre Ideen mit einbringen können und echte Partizipation gelebt wird. Ein anderes Ziel ist Selbstwirksamkeit: Damit ist gemeint, dass die Kinder einen Wunsch oder ein Bedürfnis äußern, selbst aktiv werden müssen, erkennen, dass sie etwas bewirken können und sich neue Ziele ergeben. Außerdem lernen sie so, bei Schwierigkeiten nicht gleich aufzugeben und bei fast allen Aktionen im Team zusammen zu arbeiten. Sie sollen sehen: Es lohnt sich, für etwas einzustehen, sich für etwas einzusetzen, weil man etwas bewirken kann! Die Kinder werden selbständiger und lernen Vielfalt kennen. Das sind Kompetenzen, die die Kinder früher oder später vermutlich auch im Kindergarten entwickeln würden – Allerdings dann vermutlich weniger lebendig und eindrucksvoll.
Fotos: Nadja Heinbuch/Kath. Kiga St. Gisela, Bamberg
Rund um Kita: Können Sie ein ganz konkretes Beispiel geben, wie Lernen an anderen Orten in Ihrer Einrichtung aussieht?
Nadja Heinbuch: Gerne erläutere ich das am Beispiel der Entstehung unserer Hochbeete im letzten Herbst:
Die Kinder haben sich für das kleine Gartenbeet im Kindergarten interessiert. Und bei uns gibt es täglich Frühstück im Kindergarten, bei dem Obst und Rohkost nicht fehlen dürfen. Das Interesse für Lebensmittel und Pflanzen war bei den Kindern also bereits vorhanden.
Von der Idee zur Umsetzung
Nachdem wir selbst Tomaten, Paprika und Kürbis ausgesät, versorgt, pikiert, ausgepflanzt und letztendlich geerntet und verzehrt haben, stieg das Interesse weiter. Die Kinder äußerten den Wunsch, noch mehr Pflanzen selbst anzubauen. Wir haben dann auch besprochen, warum wir mit Bananenbäumen und Nudelfeldern wohl Schwierigkeiten bekommen würden. Gut, die Idee der Kindergarten-Hochbeete als Erweiterung unseres kleinen Beetes war geboren.
Rund um Kita: Wie es ging es dann weiter?
Nadja Heinbuch: Wir erfuhren über einen unserer Netzwerkpartner, dass die gfi (Gesellschaft zur Förderung sozialer und beruflicher Integration) für Mikroprojekte von Jugendlichen nach Ideen und Aufgaben sucht. Daraufhin haben wir den Kontakt hergestellt und mit den Kindern unsere Hochbeete geplant. Wir haben sogar Modelle aus Holz gebaut. Im gfi wurden die Hochbeete von Jugendlichen im Rahmen des Unterrichts gebaut und hier im Kindergarten errichtet. Dabei halfen die Jugendlichen, die Kiga-Kinder und Eltern mit Mitarbeitern von der gfi und Kindergarten zusammen. Die Schüler erklärten und zeigten den Kindern was sie wie gemacht haben und freuten sich über das Interesse.
Von Anfang an dabei
An der Entstehung der Hochbeete waren die Kinder von Anfang an beteiligt, sie konnten die einzelnen Teilschritte nachvollziehen und wirkten von der Idee über die Planung bis Aufbau und schlussendlich deren Nutzung mit. Ein Wunsch wurde Wirklichkeit. Sie lernten dadurch Mitverantwortung und konnten sich selbst mit einbringen. Die Kinder haben sehr schnell gemerkt, wer was besonders gut kann und von dieser Person gelernt oder sich Hilfe geholt. Die Wertschätzung gegenüber den Fähigkeiten stieg enorm und Unzulänglichkeiten einzelner Personen oder Schwächen waren kein Thema mehr.
Ein kleiner Wermutstropfen war jedoch, dass wir Fachkräfte während des Corona-Lockdowns die Beete nur selbst befüllten, und zum Teil bepflanzten, da wir sonst nichts hätten ernten können. Bei weiteren Pflanzungen, der Pflege und Ernte waren und sind die natürlich Kinder nach wie vor begeistert dabei.
Rund um Kita: Binden Sie bei diesen Aktivitäten die Eltern/Familien mit ein? Wenn ja, wie?
Nadja Heinbuch: Bei dem oben aufgeführten Beispiel haben die Eltern beim Aufbau mit geholfen und durften natürlich auch manche Sachen mit ihren Kindern ernten und mit nach Hause nehmen.
Wir versuchen aber allgemein immer wieder Eltern mit einzubeziehen. Dies gelingt meist gut und wir achten darauf, dass unsere Angebote für die Familien niederschwellig sind. Damit machen wir gute Erfahrungen, vor allem dann, wenn wir Eltern direkt ansprechen und ihre Kompetenzen sehen und schätzen. Wer aktiv beteiligt ist, fühlt sich der Sache auch verbunden und bringt sich intensiver ein. Das können wir immer wieder beobachten.
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