siebzehn + zwanzig =

20 − 6 =

Bei den meisten Kindern geschieht es früher oder später ganz von allein, dass sie beginnen zu sprechen. Das Tempo, wann ein Kind beginnt zu sprechen oder sich einen gewissen Sprachschatz aneignet, ist individuell ganz unterschiedlich.

Die Themen Sprache und Bewegung sind das Steckenpferd von Kita-Leiterin Ulrike Büscher und ihrem Team der Johannes Kindertagesstätte im niedersächsischen Neuenhaus, die sich in der Vergangenheit um den Deutschen Kita-Preis beworben hatten. In der Kita wird vor allem das Konzept der alltagsintegrierten Sprachbildung bzw. -förderung angewendet. Was man sich genau darunter vorstellen kann und warum die Johannes Kita Neuenhaus auf dieses Konzept schwört – davon berichtet dieser Beitrag.

Fünf Argumente für eine alltagsintegrierte Sprachbildung in der Kita

1. Sprechen geht immer und überall

Konzepte zur Sprachbildung gibt es viele – und dabei sind auch sicher viele gute und qualitativ hochwertige Ansätze vertreten. Alltagsintegrierte Sprachförderung benötigt jedoch weder besondere Materialien noch extra Räume, um stattfinden zu können. Sie findet wie aus dem Namen bereits ableitbar –  im Alltag der Kinder statt. “Das ist der große Vorteil und auch einer der ausschlaggebenden Gründe, warum wir uns eben für dieses Konzept entschieden haben –  die Kinder müssen nicht aus ihren Aktivitäten herausgeholt werden, um einem bestimmten Sprachprogramm nachzugehen, wie es bei anderen Konzepten beispielsweise der Fall ist. Alltagsintegrierte Sprachförderung ist weder zeit- noch ortabhängig”, so die Kita-Leiterin Ulrike Büscher.

Die Fachkräfte der Kita haben feine Antennen und eine gute Beobachtungsgabe – sie kennen “ihre” Kinder und bemerken, wann eine gute Gelegenheit ist, ins Gespräch zu kommen. Zum Beispiel beim Händewaschen oder – vor allem bei den ganz Kleinen – beim Wickeln. “Da entstehen manchmal schon ganz spannende Gespräche”, so Gudrun Finsterbusch, die als Fachkraft Sprache in der Kita tätig ist.

Was bedeutet alltagsintegrierte Sprachförderung?

Sprache ist eine wichtige Grundlage für die kognitive, sozial-emotionale und motorische Entwicklung von Kindern. Die alltagsintegrierte Sprachförderung hat folgende Merkmale:

  • Natürliche Sprachförderung für Kinder jeden Alters während der Kita-Zeit.
  • Die Sprachförderung ist in das Handeln der Kinder integriert (z. B. bei der Frühstücksituation, im Rollenspiel, beim Zeichnen eines Bildes, usw.).
  • Die Beziehungsarbeit zwischen Fachkraft und Kind hat dabei eine Schlüsselfunktion.
  • Die Umgebung wird so gestaltet, dass diese für Kinder anregend ist und ihnen Möglichkeiten gibt, von selbst in einen Austausch zu kommen.
  • Zentrale Anlässe für Gespräche sind für die Fachkräfte auch schon erreichte und noch bevorstehende Entwicklungsschritte des Kindes. Diese werden anhand von Beobachtung und Dokumentation identifiziert.

2. Das Kind steht im Mittelpunkt

Die Kinder werden für die Sprachförderung nicht aus ihrer aktuellen Beschäftigung heraus geholt, weil eben jetzt gerade der Punkt “Sprache” auf der Agenda steht. Vielmehr orientieren sich die Fachkräfte am Kind und seinen aktuellen, ganz individuellen Bedürfnissen. Ulrike Büscher erzählt von einer Situation beim Frühstück: “In unserer Kita gibt es einen Jungen, der immer ganz genau weiß, wann ich morgens in der Kita frühstücke. Es hat damit begonnen, dass er sich einen Stuhl holte, sich zu mir setzte und ganz interessiert beobachtete, was ich denn da so mache. Und so wurde daraus ein regelmäßiges Zusammentreffen, wo wir immer mehr ins Gespräch gekommen sind: Zuerst ist ihm aufgefallen, dass da ja ein kleiner Backofen in der Küche steht, der aber irgendwie anders aussieht als der Backofen zu Hause. Wir stellten fest, dass es sich bei dem Gerät um eine Mikrowelle handelt und haben im Laufe unserer Treffen besprochen, was man denn mit einer Mikrowelle so machen kann: Zum Beispiel Milch warm machen oder mitgebrachtes Essen aufwärmen. Ein anderes Top-Thema sind meine Frühstücks-Dosen; hier wird ausgetauscht und analysiert, welche Arten von Dosen es gibt, was man da alles rein packen kann etc. Wir beide haben also inzwischen unsere regelmäßige Sprach-Frühstücks-Verabredung, die sich ganz ungezwungen und quasi nebenbei ergeben hat.”

Die Fachkräfte haben ein Gespür für die einzelnen Kinder und geeignete Situationen, um miteinander ins Plaudern zu kommen.

3. Eine Win-Win-Situation für alle

Die Kinder lernen Sprache quasi “nebenbei” und haben unmittelbar Erfolgserlebnisse, die Fachkräfte benötigen weder Extra-Materialien noch ein bestimmtes räumliches Setting und auch die Eltern profitieren von der alltagsintegrierten Sprachförderung: Einfach und unkompliziert können sie diese auch in ihren Alltag zu Hause einfließen lassen um mit ihren Kindern ins Gespräch zu kommen und so das Sprechen zu fördern. Die wichtigste Voraussetzung für die alltagsintegrierte Sprachförderung, nämlich feine Antennen und das Gespür für das Kind, bringen Sie schon ganz selbstverständlich mit

4. Auch die Umgebung spielt eine Rolle

Wichtig für die alltagsintegrierte Sprachbildung ist eine entsprechende, sprachanregende Umgebung. In der Johannes Kita Neuenhaus gibt es in den Räumlichkeiten große Fensterfronten, die immer frei bleiben und nicht mit Basteleien oder Farben verdeckt werden. “Um immer einen freien Blick nach draußen zu gewährleisten: Was ist da gerade los? Wie viele Bäume stehen eigentlich vor unserer Kita? Und wie groß die sind! Was sind das denn für Bäume? Und wachsen die nur hier in Deutschland oder auch in anderen Ländern? Solche und viele weitere Fragen ergeben sich dann wie ganz von alleine. Wir haben in unseren Räumen auch viele Bücher, eine große Weltkarte und auch elektronische Medien, wie Tablets, um zu recherchieren oder schnell mal etwas nachzuschlagen”, so Frau Büscher.  

Wie sieht alltagsintegrierte Sprachbildung speziell für Kinder unter drei Jahren aus? Diese Frage beantwortet eine Erzieherin im folgenden Youtube-Clip des Bundesprogramms „Frühe Chancen“:

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5. Alle Kinder profitieren

Die alltagsintegrierte Sprachbildung richtet sich an alle Kinder in der Kita – sie besitzt somit einen integrativen Charakter. Kinder, die noch nicht Deutsch sprechen können, profitieren von den deutschsprechenden Kindern, die interessanterweise einfühlsam und gezielt ihre Mimik und Gestik einsetzen, um miteinander in Kontakt zu kommen. Auch Kindern, die Deutsch als Muttersprache haben, kommt die alltagsintegrierte Sprachbildung zu Gute: Sie erweitern hierdurch beispielsweise ihren Wortschatz.

Für alle Kinder gilt, selbstbewusst das erworbenes Sprachwissen anzuwenden. Und das funktioniert am besten, wenn nicht Sprache im Vordergrund steht, sondern Spiel und Spaß. Denn dann sind Kinder aufnahmebereiter und trauen sich mehr zu. Kita-Leiterin Büscher erzählt: „Ein Mädchen, erst seit kurzem in Deutschland und in unserer Kita spricht kein Wort Deutsch. Wir haben allerdings festgestellt, dass sie gerne in der Gruppe singt – und zwar die richtigen deutschen Wörter. In der Gruppe fühlt sie sich unbeobachtet und wirkt selbstbewusst. Dieses Verhalten fördern wir intensiv und bieten viele Möglichkeiten zum Singen und Musizieren an, um sie in ihrem Spracherwerb voranzubringen.“

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