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Notbetreuung – auf einmal wissen alle Mütter und Väter, was das ist. Hatten früher nur wenig berufstätige Eltern ihr Kind zu Ferien- oder Schließzeiten in die Kita gebracht, so sind es jetzt, während der Corona-Krise, sehr viel mehr. Nämlich alle, die ihren Nachwuchs in den nächsten Wochen nicht zuhause betreuen können, weil sie sogenannte systemrelevante Berufe haben und trotz aller Einschränkungen arbeiten müssen. Dazu gehören unter anderem Ärzte und Pflegepersonal, Polizei und Feuerwehr – aber eben auch Erzieherinnen und Erzieher.

Denn die kümmern sich, wie in der PINGUIN Kindertagesstätte im ostfriesischen Aurich, nun täglich um die Kinder anderer Eltern. Die Einrichtung ist Kita des Jahres 2020 und bietet seit Beginn der Corona-Krise eine Notbetreuung für ihre Kinder an. Wie in diesen Zeiten ein typischer Kita-Tag aussieht und wie Kinder und Eltern diese Situation erleben, hat uns die Kita-Leiterin Doris Gießenberg in einem Interview erzählt:

Frau Gießenberg, wie ist gerade die Situation in Ihrer Kita?

Kita-Leiterin Doris Gießenberg (Foto: PINGUIN Kindertagesstätte Aurich).

Zu Beginn der offiziellen Schließung herrschte hier zunächst, wie wahrscheinlich überall, eine Ausnahmesituation für Kinder, Eltern und Mitarbeitende. Am ersten Tag mussten wir erst einmal alles desinfizieren und dann gemeinsam schauen: Wer im Team kann was leisten? Einige Kollegen mussten selbst mit ihren Kindern zuhause bleiben, andere können die Notbetreuung in der Kita übernehmen. Mittlerweile hat sich alles eingependelt.

Und wie sieht die Notbetreuung jetzt bei Ihnen aus?

Unsere Kita bietet täglich eine Betreuung zwischen 8 und 14 Uhr. Im Moment besteht die Möglichkeit, eine Gruppe von bis zu acht größeren Kindergartenkindern sowie eine Gruppe mit bis zu fünf Krippenkindern zu betreuen, jeweils mit einer oder zwei Fachkräften. Das heißt, bei uns ist die Situation noch entspannt. Das Land gibt genau vor, welche Kinder die Kita besuchen dürfen und welche nicht, gleichzeitig sind wir als große Einrichtung personell gut aufgestellt.

„Eine Ausnahmesituation für Kinder, Eltern und Mitarbeitende.“

Gibt es Kinder, die jetzt nicht mehr bei Ihrer Bezugserzieherin sind?

Bei uns im Ort musste zum Glück kein Kind in eine fremde Kita wechseln, so dass das Personal den Kindern nirgendwo vollkommen fremd ist. Nur eines unserer Krippenkinder wird gerade nicht von seiner Bezugserzieherin, sondern von einer anderen Krippenfachkraft aus unserer Einrichtung betreut. Es kann den Tag weiterhin in seinem vertrauten Gruppenraum verbringen, so dass es sich schon nach einem Tag an die neue Situation gewöhnt hat.

Das Schöne an der Notbetreuung: Die Erzieherin ganz für sich allein zu haben (Foto: PINGUIN Kindertagesstätte Aurich).

Wie vermitteln Sie den Krippenkindern Sicherheit?

Wir greifen immer wieder auf vertraute Dinge und Rituale zurück, um den Kleinen Sicherheit zu geben: So konnte das eben erwähnte Krippenkind beispielsweise nicht nur im vertrauten Gruppenraum mit seinen Lieblingssachen spielen, sondern sich auch wie gewöhnlich zum Essen sein eigenes, bemaltes Geschirr heraussuchen. Außerdem singen die Fachkräfte nun mit den Kleinen verstärkt bekannte und beliebte Lieder und Fingerspiele. Die Kinder finden es auch toll, sich gemeinsam mit den Erzieherinnen und Erziehern das Ich-Portfolio anzuschauen.

„Wir greifen immer wieder auf vertraute Dinge und Rituale zurück.“

Wie erleben die größeren Kinder den Alltag in der Notbetreuung?

Auch für sie war der erste Tag in der Kita ungewohnt. Sie sind durch alle Räume gegangen und haben festgestellt, dass die Kita ohne die vielen Kinder ganz anders aussieht als sonst. Und dass die meisten ihrer Freunde leider nicht da sind. Zwar wissen die meisten, was Corona ist und verstehen, warum sie jetzt so oft Hände waschen und aufpassen müssen. Aber wir mussten ihnen erst einmal erklären, warum die anderen Kinder nicht da sind und nur manche in den Kindergarten gehen können. Einige Kinder finden es auch schön, so viel Zeit mit einer Erzieherin oder einem Erzieher zu verbringen, mal ein Buch komplett durchzulesen oder die Spiel- und Bastelsachen alleine und in Ruhe zu nutzen.

Wie erleichtern Sie den Großen diese Situation?

Auch bei den Kindergartenkindern behalten wir, soweit es geht, den bisherigen Tagesablauf und bestehende Strukturen bei. Es gibt feste Frühstücks- und Essenszeiten sowie bestimmte Spieleangebote. Außerdem können die Kinder weiterhin den Spielplatz auf unserem Kita-Gelände nutzen. Normalität ist für alle Kinder jetzt ein absolutes Muss. 

Wie geht es den Müttern und Vätern, die ihre Kinder zur Notbetreuung bringen?

Auch für die Eltern ist vieles neu. Sie tun sich oft schwerer als die Kinder und haben ein schlechtes Gewissen, weil sie ihren Nachwuchs in die Kita bringen und nicht zuhause betreuen können. Gleichzeitig sind sie wegen der besonderen Arbeitssituation angespannt und verunsichert. Diesen Eltern sagen wir, dass ihr Kind bei uns gut aufgehoben ist und nicht alles anders ist als sonst. So kennen viele von ihnen beispielsweise die Ersatz-Betreuungspersonen schon vom Sehen. Die Fachkräfte nehmen sich Zeit beim Bringen und Abholen, erzählen was das Kind den Tag über gemacht hat und geben den Eltern so hoffentlich das Vertrauen, dass alles in Ordnung ist und es ihrem Kind gut geht. Sie sollten nicht zusätzlich zu der schwierigen Situation auch noch ein schlechtes Gewissen haben.

„Normalität ist für alle Kinder ein absolutes Muss.“

Wie können die Eltern selbst dazu beitragen, dass es ihren Kindern gut geht?

Wir empfehlen den Müttern und Vätern, trotz der Ausnahmesituation auch zuhause bestehende Strukturen und Rituale einzuhalten oder neue zu installieren. Diese sind wichtig, um den Kindern zu zeigen, dass alles in Ordnung ist und nicht die ganze Welt aus den Angeln gehoben ist. Wir ermutigen die Eltern auch, zuhause nochmal über das, was die Kinder in der Kita erlebt haben, zu sprechen. Oder wir geben den Kindern bestimmtes Bastelmaterial mit nach Hause, damit sie die Ideen aus der Einrichtung nochmal gemeinsam mit ihren Eltern nachmachen können.

Eine leere Kita – ideal zum Ausmisten und Aufräumen (Foto: PINGUIN Kindertagesstätte Aurich).

Wie hat sich der Kita-Alltag für Ihr Team verändert?

Wenn nur wenig Kinder da sind, können wir die freigewordene Zeit nutzen, um Dinge abzuarbeiten, die schon länger liegengeblieben sind. Wir informieren uns über die Lage – sowohl allgemein als auch bei unseren Familien, denken uns Projekte für die Zeit während und nach der Notbetreuung aus und binden dafür auch die daheimgebliebenen Kollegen ein. Viele sind froh, dass sie uns aus der Ferne unterstützen können. Auch sie sollen kein schlechtes Gewissen haben, dass sie gerade nicht in der Kita sein können.

„Auch für Kinder und Eltern zuhause da sein – das gehört zu unserem Job.“

Haben Sie auch Kontakt zu Eltern, die mit ihren Kinder zuhause sind?

Auf jeden Fall! Wir erhielten zu Beginn der Kitaschließung immer wieder Anrufe von Eltern, die mit der besonderen Situation zuhause überfordert waren. Leider können nicht alle ihre Kinder in die Kita bringen, die Regelungen der Länder zur Notbetreuung sind da eindeutig und bindend. Trotz alledem will unser Team auch für die Kinder und Eltern zuhause da sein – wir finden, das gehört zu unserem Job.

Was können Sie denn aus der Ferne für die Familien zuhause tun?

Zunächst einmal schreiben alle Fachkräfte nach und nach richtige Briefe an die Kinder aus ihrer Gruppe – das können die Kollegen ja auch von zuhause aus machen. Außerdem verschicken wir täglich einen E-Mail Newsletter mit Infos und Podcasts an alle interessierten Eltern und deren Kinder. Darin berichten wir, was unsere Kinder und Fachkräfte in der Notbetreuung oder auch zuhause erleben, spielen und basteln – und wie jede Familie dies nachmachen kann. Wir ermutigen auch alle, selbst etwas zum Newsletter beizutragen, von sich zu erzählen und Fotos zu machen, so dass der Kontakt untereinander bestehen bleibt.

Warum ist es so wichtig, auch die Kinder und Eltern zuhause einzubinden?

Die Corona-Krise belastet alle Familien – und wir wollen zeigen, dass wir auch an jene denken, die wir gerade nicht sehen. Das versuchen wir auch mit Gemeinschaftsaktionen und dem Newsletter klarzumachen. Alle Kinder sollen immer wieder an ihre Freunde, Erzieherinnen und Erzieher erinnert werden und mit ihnen in Kontakt treten. Dann fällt ihnen hoffentlich auch die Rückkehr in den normalen Kita-Alltag nicht so schwer – wann immer das sein wird. Denn wenn die Krise überstanden ist, stehen wir vor der nächsten Herausforderung: Einer großen Neu-Eingewöhnung – und zwar aller Kinder, Eltern und Fachkräfte gleichzeitig.

Tipps: Was Eltern während der Kita-Schließung tun können

Hier kommen Vorschläge, was Eltern während der Corona-Kitaschließung für ihre Kinder und die Fachkräfte tun können. Zusammengestellt wurden diese von Julie Merkel aus der Rund um Kita-Redaktion. Die Erzieherin und Bildungswissenschaftlerin ist Mitarbeiterin im Programm Deutscher Kita-Preis.  

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