zwanzig + zwei =

5 × drei =

Welche Kita passt am besten zu uns und unserem Kind? Bei der Wahl der Betreuungseinrichtung spielt die pädagogische Ausrichtung eine wichtige Rolle für Eltern. Hier den Überblick zu bewahren, ist gar nicht so einfach. Denn es existieren zahlreiche gute pädagogische Ansätze für die frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung in Kitas.

In unserer Beitragsserie stellen wir die Besonderheiten der verschiedenen Betreuungskonzepte vor und zeigen anhand eines praktischen Beispiels, wie Kinder und Eltern im Kita-Alltag von der jeweiligen pädagogischen Ausrichtung profitieren.

Teil 4 der Serie: Die offene Arbeit

Freiheit steht an erster Stelle

Starre Tages- und Wochenpläne sucht man in einer Kita, die das pädagogische Konzept der offenen Arbeit lebt, vergebens. Ebenso gibt es in vielen Einrichtungen keine sogenannten Stammgruppen, in die die Kinder auf Grund ihres Alters aufgeteilt sind. Vielmehr sind Kitas, die mit einem offenen Konzept arbeiten eben gerade durch die Öffnung gekennzeichnet: Kinder können wählen, mit wem sie wann welchen Aktivitäten nachgehen. In Kitas, die mit dem offenen Konzept arbeiten, gibt es verschiedene Themenräume und -bereiche, zum Beispiel einen Kreativraum, einen Bewegungsraum, Versorgungs- bzw. Restaurantbereiche, einen oder mehrere Rückzugs- bzw. Ruheräume und optimalerweise einen Außenbereich, in dem die Kinder dem freien Spiel nachgehen können. Dem pädagogischen Fachpersonal kommt hierbei die Rolle des Beobachters, Zuhörers, Lernbegleiters, Beraters und Unterstützers auf Augenhöhe zu.

Die offene Arbeit ermöglicht vor allem den Kita-Kindern wichtige Freiräume und Möglichkeiten zur Selbstentfaltung – bedingt aber auf der anderen Seite eine große Bereitschaft zur kollegialen Zusammenarbeit im Kita-Team, denn der regelmäßige Austausch untereinander ist das A und O, damit die offene Arbeit im Kita-Alltag auch wirklich funktioniert.

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3 Fragen an eine Kita, die nach dem Konzept der offenen Arbeit arbeitet

AWO-Kita „An der schmalen Gera“, Erfurt

Die Kita „An der schmalen Gera“ in der thüringischen Landeshauptstadt hat ihr pädagogisches Konzept vor einigen Jahren hin zur offenen Arbeit ausgerichtet. Wie die offene Arbeit im Kita-Alltag konkret gelebt wird und wie Kinder, Eltern und Erzieher und Erzieherinnen davon profitieren können – davon hat Andrea Scheidt in einem Interview mit Rund-um-Kita berichtet. Die Kindertagesstätte wurde für ihr Engagement mit dem zweiten Platz des Deutschen Kita-Preis 2019 ausgezeichnet.

  • Warum haben Sie bzw. Ihre Einrichtung sich für genau dieses Konzept entschieden? Worin sehen Sie die besonderen Stärken dieses Ansatzes?

Wir haben schon lange Zeit bevor wir den endgültigen Schritt gegangen sind, die offene Arbeit als Konzept bei uns zu verankern, gemerkt, dass wir sehr offen und frei denken. Starre Pläne haben uns wenig individuelle Gestaltungsspielraum im Kita-Alltag ermöglicht: Wenn zum Beispiel ein Kind zu uns kam und begeistert von seiner Entdeckung erzählt hat, haben wir uns oft gedacht „Mensch, das ist eine tolle Sache – da müssten wir mehr daraus machen!“ Aber auf Grund der Struktur war das nicht so einfach: Meistens mussten wir das Kind auf später vertrösten – und dann war das Thema oft schon nicht mehr relevant. Offene Arbeit bedeutet für uns alle hier mehr Freiheiten und Flexibilität. Das Konzept ermöglicht den Kindern ihre Welt in ihrem Tempo, auf ihre Art und Weise, selbst zu entdecken – wir als Erziehende sehen uns hierbei als Begleiter dieses Prozesses: Im Team ist jede Erzieherin für jedes Kind ansprechbar. Darüber hinaus beobachten wir sehr viel.

  • Wodurch unterscheidet sich das Konzept der offenen Arbeit Ihrer Meinung nach von anderen pädagogischen Konzepten?

Vor allem die Möglichkeiten zur Mitsprache und Mitentscheidung der Kinder, auch was die Prozesse in unserer Kita angeht, sind wichtige Aspekte der offenen Arbeit. Die Kinder haben viele Möglichkeiten, sich selbst zu entfalten – sie gestalten größtenteils ihren Kita-Tag selbst nach ihren Bedürfnissen, wir bieten ihnen einen Rahmen. Besonders deutlich wird das beim Thema Mittagsschlaf: Wir überlassen es jedem Kind, ob es einen Mittagsschlaf halten möchte, ob es sich nur ausruhen möchte oder ob es gar nichts dergleichen benötigt. Wir haben die Rolle als Beobachter inne und sprechen natürlich – wenn wir das Gefühl haben, ein Kind ist müde und könnte durchaus ein paar Minuten Ruhe gut gebrauchen – das Kind auch darauf an, ob es sich nicht doch ein wenig ausruhen möchte. Die Entscheidung liegt jedoch letztendlich bei jedem einzelnen Kind selbst. Bei uns hat jedes Kind das „Recht auf den heutigen Tag“ und wir lassen uns jeden Tags aufs Neue auf jedes einzelne Kind ein.

Pädagogische Konzepte unter der Lupe

Hier finden Sie alle Beiträge auf einen Blick!

  • Wie leben Sie in der Kita die offene Arbeit ganz konkret im Kita-Alltag?

Wir haben im Rahmen unseres Veränderungsprozesses hin zur offenen Arbeit damals 2011 zu allererst unsere starren Gruppen- und Raumstrukturen aufgelöst. Das hat allen Beteiligten, sowohl den Kindern, als auch den Erzieherinnen, viele Freiheiten ermöglicht. Die Kinder können sich im Haus und auf dem gesamten Gelände frei bewegen und entscheiden durch die Auflösung der Gruppen- und Raumstrukturen selbst, was sie wo mit wem spielen möchten.

Die Kinder profitieren sehr durch die offene Arbeit: Uns ist es wichtig, die Kinder stark zu machen für das, was nach der Kita folgt: Für die Grundschule, für das weitere Leben. Und dafür braucht es Selbstbewusstsein, um sich in der Welt da draußen behaupten zu können. Nicht jeder ist von Vornherein damit ausgestattet – aber das macht nichts, denn Selbstbewusstsein kann man lernen. Und das ist das Schöne an der offenen Arbeit: Lernen erfolgt hier auch oft ganz nebenbei, oft durch Zuhören und Zuschauen. Zum Beispiel war eines unserer Kita-Kinder, als es zu uns kam, ein sehr schüchternes, zurückhaltendes Mädchen – wir alle haben ihr immer wieder angeboten, zuzuschauen und mitzumachen, haben aber nie versucht, sie zu etwas zu überreden oder sie gar zu etwas gedrängt. Sie konnte selbst bestimmen, wann sie wie weit gehen wollte. Anfangs stand sie sehr oft am Rande des Geschehens und hat ganz viel zugeschaut, beispielsweise wenn andere Kinder gemeinsam im Garten etwas gebaut haben. Und im Laufe der Zeit wurde sie immer mutiger, ist auf die Kinder zugegangen, hat sich auch mit ins Spiel ein gebracht. Und heute? Heute ist sie ein richtiger Wirbelwind – von Schüchternheit keine Spur.

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