elf − 2 =

20 − 13 =

Eine Reportage in zwei Teilen

Zweiter Teil: Vom Plan zur Umsetzung

Im ersten Teil der Reportage haben die Kita-Leiterin Andrea Scheidt und ihre Stellvertreterin Konstanze Burg davon berichtet, wie es in der Kita „An der schmalen Gera“ in Erfurt zu einer Neuausrichtung kam. Im zweiten Teil folgen nun die praktische Umsetzung und viele weitere Einblicke in den Kita-Alltag einer Einrichtung, die das Konzept der offenen Arbeit ganz praktisch lebt. Zum ersten Teil der Reportage geht es hier entlang.

Aufklärungsarbeit für alle Beteiligten

Dass der Diskussionsbedarf, vor allem bei den Eltern, groß war und oftmals auch nach wie vor ist, verwundert nicht. Mit Veränderungen gehen oftmals auch Unsicherheiten einher. Auch heute, nach acht Jahren gibt es noch immer Eltern, die dem Veränderungsprozess und dem Konzept der offenen Arbeit nicht viel abgewinnen können. „Es gibt Eltern, für die offene Arbeit gleichbedeutend ist mit keine Regeln, keine Grenzen“, so Konstanze Burg. „Dass dem nicht so ist, können wir nur immer und immer wieder in Elternabenden und Gesprächsrunden betonen, unser Konzept erklären und die Eltern auch immer wieder dazu einladen, doch einmal in die Kita zu kommen. Nicht nur um zu hospitieren, sondern um einmal mitzuarbeiten und die offene Arbeit so in der praktischen Umsetzung kennen zu lernen und zu erleben.“

Wie das pädagogische Konzept heißt, welche Vorteile es hat und wie es konkret im Kita-Alltag umgesetzt wird, ist den Kindern ziemlich egal. Sie fühlen sich hier einfach wohl. Heute nutzen einige von ihnen das schöne Sommerwetter, um hinter dem Schuppen aus Fundstücken etwas zu bauen. Eine Vierergruppe hat die Schaukel und das Klettergerüst in Beschlag genommen – andere halten sich im Haus auf und essen, ruhen sich aus oder malen. Sie alle können genau den Tätigkeiten nachgehen, auf die sie gerade Lust haben. „Das ist doch das Schöne – dadurch, dass wir die starren Pläne abgeschafft haben, haben die Kinder – im wahrsten Sinne des Wortes – viel mehr Spielräume bei der Tagesgestaltung“, so die Kita-Leiterin Scheidt. Apropos Spielräume: Starre Plätze und bestimmte Räume zum Spielen hat man in der Kita im Laufe des Veränderungsprozesses auch abgeschafft: Die Kinder können dort spielen, wo sie wollen – das reicht von den Fluren im Gebäude der Kita bis hin zu den Gebüschen im Garten.

Beobachten und Lernen

Wenn die Kinder Fragen haben oder Hilfe benötigen, können sie sich an alle im Kita-Team wenden. Es gibt „An der schmalen Gera“ nicht meine und deine Kinder, hier schaut jede Kollegin und jeder Kollege auf alle Kinder und hat auch für die Belange eines jeden Kindes immer ein offenes Ohr. Überhaupt ist das Beobachten ein wichtiges Thema in der Kita, auch für die Kinder: „Kinder lernen ja nicht nur durch aktives Handeln, sondern auch viel durch Zuhören und Beobachten“, so die beiden Erzieherinnen.

Auch so wird gelernt: Beim Klassiker schlechthin – dem gespannten Lauschen von Geschichten
Foto: DKJS / F.Schmitt

Beim Gespräch im Garten bleibt der Blick von Konstanze Burg auf einem Banner hängen, das im Rahmen der lokalen Preisübergabe des Deutschen Kita-Preises neben der Eingangstür aufgestellt wurde: „Kinder lernen, wenn ihr Umfeld lernt“ steht hier in großen Lettern geschrieben – hier wird auf eine der Qualitätsdimensionen des Deutschen Kita-Preises verwiesen, nämlich die der Lernenden Organisation. „Eigentlich sagt das alles aus – Wir als Erziehende betrachten die Kinder hier als Bildungspartner und nicht als unterlegen: Sie lernen von uns und wir können viel von ihnen lernen“, so Burg: „Kinder spüren auch ganz genau, was echt und was vorgespielt ist. So, wie wir hier den Kindern begegnen – wertschätzend und höflich – so begegnen wir uns auch im Team, alles andere wäre unglaubwürdig. Und so lernen wir immer wieder voneinander.“

Lernen ist ein wechselseitiger Prozess und das wird in der Kita „An der schmalen Gera“ aktiv gelebt.
Foto: DKJS / F.Schmitt

Immer wieder hinterfragen

Das Team sitzt oft zusammen und hinterfragt Dinge, immer wieder. „Was heute für die Kinder gut funktioniert, kann morgen schon wieder ganz anders aussehen“, sind sich die beiden Erzieherinnen einig, „deswegen ist es auch wichtig, genau zu beobachten und immer wieder auf jedes einzelne Kind zu schauen, was es denn gerade braucht. Für uns ist es wichtig, dass wir nicht an alten Strukturen festhalten, sondern immer wieder unsere Veränderungen und Entscheidungen zum Wohle der Kinder überdenken – und zwar nicht erst in drei Monaten, sondern möglichst zeitnah und direkt.“

Was ist gerade wichtig? Das wird immer wieder hinterfragt und der Prozess dementsprechend angepasst.
Foto: DKJS / F.Schmitt

Langsam wird es ruhig im Garten „An der schmalen Gera“ – die meisten Kinder wurden bereits von ihren Eltern abgeholt, hier und da liegen noch ein paar Fundstücke aus dem Garten herum und warten darauf, morgen wieder von den Kindern für neue Abenteuer verwendet zu werden.

Die Kita „An der schmalen Gera“ ist ihren Weg gegangen, wird diesen weitergehen und sich immer wieder – ganz nach den Bedürfnissen ihrer Kinder – neu erfinden.

Wenn sich in der Kita etwas verändert – Tipps für Eltern

Wenn Veränderungen in der Kita anstehen, ist das oft mit Unsicherheiten und vielleicht sogar Ängsten, vor allem auf Elternseite, verbunden. Dass das nicht sein muss, zeigt diese Reportage. Wir haben daraus vier Ratschläge für Eltern abgeleitet:

  • Neugierig auf Informationsangebote eingehen: Seien es Elternabende, Gesprächsrunden oder optimalerweise Hospitationen in der Kita: Es lohnt sich, solche Angebote zu nutzen, um sich umfassend zu informieren und Unsicherheiten abzubauen.
  • Fragen, Fragen, Fragen. Bei Unklarheiten oder auch aus Neugier: Die Erziehenden haben nahezu immer ein offenes Ohr für Elternbedarfe und freuen sich, Auskunft und konkrete Einblicke in die Kita-Arbeit zu geben.
  • Offen über Wünsche, aber auch Vorbehalte sprechen. Auch hier gilt: Immer gerne direkt das Kita-Team ansprechen – so können schnell Lösungswege gefunden und Missverständnisse aufgeklärt werden. Die Erzieher und Erzieherinnen sind dankbar.
  • An einem Strang ziehen: Bestenfalls sehen sich Eltern und die pädagogischen Fachkräfte als Partner und meistern Veränderungsprozesse gemeinsam.

Auch interessant: