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Wie eine Kita gemeinsam mit Kindern und Eltern einen neuen Weg eingeschlagen hat

Eine Reportage in zwei Teilen

Erster Teil: Auf zu neuen Ufern

Nicht immer läuft alles nach Plan – und das ist vielleicht auch ganz gut so.

Es ist Sommer – angenehm ist es hier, im Garten der AWO-Kita „An der schmalen Gera“ in Erfurt, die großen Bäume spenden genug Schatten, so dass man hier draußen gut und gerne den gesamten Tag verbringen kann. Schaukeln, Klettergerüst, eine Rutsche und viel Freifläche laden dazu ein, sich hier so richtig auszutoben. Und das können die Kinder hier, wenn sie wollen, den ganzen Tag tun.

Die Kita, die für ihr Engagement mit dem zweiten Platz des Deutschen-Kita-Preises 2019 ausgezeichnet wurde, arbeitet nach dem pädagogischen Konzept der offenen Arbeit und räumt den Kindern viele Entscheidungsfreiheiten ein: Ob sie im Gebäude spielen oder sich künstlerisch betätigen wollen, im Freien toben oder die Beete bepflanzen wollen, ist den Kindern selbst überlassen. Auch der Mittagsschlaf ist hier schon lange nicht mehr die Regel, sondern ein Angebot an die Kinder. So war das in der Kita jedoch nicht schon immer, vielmehr befindet sich das Kita-Team um Leiterin Andrea Scheidt und ihre Stellvertreterin Konstanze Burg mitten in einem Veränderungsprozess, der noch lange nicht zu Ende ist.

Immer in Bewegung: Bei den Kindern und Erzieherinnen in Erfurt ist immer etwas los.
Foto: DKJS/F.Schmitt

Früher war vieles anders, aber definitiv nicht immer besser: Es ist acht Jahre her, als Andrea Scheidt und Konstanze Burg bei dem Blick auf den Thüringer Bildungs- und Erziehungsplan festgestellt haben: So wie bisher funktioniert ist es nicht. Die Pläne waren oft zu starr, die nötigen Freiräume und Flexibilität fehlten, um das zu machen, worum es eigentlich geht: Die Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes zu berücksichtigen und auf spontane Wünsche der Kinder auch kurzfristig reagieren und diese idealerweise ggf. auch direkt umsetzen zu können. „Oft kamen die Kinder im Laufe des Tages zu uns und haben von ihren Entdeckungen erzählt. Und wir dachten uns: Mensch, das ist toll, da müsste man mehr daraus machen! Aber heute geht das nicht. Morgen ist es leider auch schlecht – aber nächste Woche: Da können wir das angehen! Und als dann die nächste Woche gekommen war, war das für die Kinder meist schon nicht mehr interessant oder das Thema hatte sich für sie bereits erledigt“, so die Kita-Leiterin Andrea Scheidt.

„Dann machen wir es eben anders“

Für Andrea Scheidt und Konstanze Burg, die beide schon immer frei in ihren Gedanken und in ihrem Handeln waren, war schnell klar: „Wir werden etwas ändern!“. Doch so einfach war das dann doch nicht: „Es gab viele Diskussionen, was ja auch gut ist“, erinnert sich die stellvertretende Kita-Leitung Konstanze Burg. Vor allem die Eltern hieß es aufzuklären und vom Konzept der offenen Arbeit zu überzeugen, denn hier gab es viele Bedenken: „Die Eltern haben sich gewundert und wollten ganz genau wissen, was ihre Kinder denn hier so den ganzen Tag über machen.“ Das Kita-Team hat sich daraufhin kreative Methoden überlegt, um dies den Eltern unabhängig von den ausgedienten Wochenplänen zu vermitteln. Beispielsweise wurden Magnettafeln in der Kita aufgehängt, auf denen von jedem Kita-Kind ein Foto angebracht wurde. Außerdem gab es auf den Tafeln viele verschiedenfarbige Magnete, die den jeweiligen Kategorien aus dem Bildungsplan, wie zum Beispiel Naturwissenschaften, Mathematik oder Bewegung, zugeordnet waren. Die Kinder konnten täglich selbst auf Grundlage dessen, was sie im Laufe des Tages gemacht haben, die farbigen Magnete ihrem Bild zuordnen. So wurde für die Eltern deutlich, was die Kinder den ganzen Tag gemacht und gelernt haben. Und siehe da: Die anfängliche Skepsis war in den meisten Fällen der Neugier und Offenheit auf Elternseite gewichen.

Mut zur Veränderung: Kita-Leiterin Andrea Scheidt und ihr Team leben den Veränderungsprozess aktiv in der Kita jeden Tag auf Neue
Foto: DKJS/F.Schmitt

Veränderung muss bei jedem selbst beginnen

Doch wie kann sich eine Kita überhaupt verändern? Was braucht es, um neue Wege zu gehen, neue Richtungen einzuschlagen und Altes hinter sich zu lassen? „Man muss bei sich selbst anfangen und über sich nachdenken. Vor allem die Neuausrichtung hin zum pädagogischen Konzept der offenen Arbeit bedingt ein Überdenken der eigenen Einstellung zur Erziehung und den Erfahrungen, die man im Laufe des Berufslebens in der Kita gesammelt hat. Jede Erzieherin bringt ihren eigenen Rucksack mit, den es zu überprüfen gilt: Was kann ich? Was kann ich zulassen und was nicht? Das war für uns der Anfang, um dann zu sagen: Wir probieren das jetzt einfach“, so die beiden Erzieherinnen einhellig.

Wie die Kita die Veränderung umgesetzt hat und wie die Eltern und Kinder davon profitieren, lesen Sie nächste Woche im zweiten Teil der Reportage.

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