Welche Kita passt am besten zu uns und unserem Kind? Bei der Wahl der Betreuungseinrichtung spielt die pädagogische Ausrichtung eine wichtige Rolle für Eltern. Hier den Überblick zu bewahren, ist gar nicht so einfach. Denn es existieren zahlreiche gute pädagogische Ansätze für die frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung in Kitas.
In unserer Beitragsserie stellen wir die Besonderheiten der verschiedenen Betreuungskonzepte vor und zeigen anhand eines praktischen Beispiels, wie Kinder und Eltern im Kita-Alltag von der jeweiligen pädagogischen Ausrichtung profitieren.
Teil 2 der Serie: Die inklusive Kita
Es ist normal, verschieden zu sein
Jedes Kind ist einzigartig – deshalb lernen wir auch so viel voneinander, wenn wir alle miteinander spielen! So oder ähnlich würde vermutlich ein Kind die Merkmale einer Inklusions-Kita beschreiben. Denn Vielfalt wird in inklusiven Kindertagesstätten bewusst gelebt. Bedeutet auch: Kein Kind wird wegen individueller Besonderheiten, sozialer, ethnischer oder kultureller Differenzen unterschiedlich behandelt oder betreut. Weil alle Jungen und Mädchen gleichermaßen am gesellschaftlichen Leben teilhaben sollen, bezieht Inklusion alle Kinder mit ein – nicht nur jene mit körperlichen Einschränkungen.
Nach dem Motto „Es ist normal, verschieden zu sein“ sehen Inklusions-Kitas die Vielfalt von Kultur, Sprache, Familienstruktur, Religion und sozialer Herkunft als Bereicherung und Chance. Das Personal nimmt jedes Kind in seiner Individualität wahr und sieht die jeweilige Besonderheit im Sinne von Einmaligkeit als Bereicherung der Gemeinschaft. Körperliche oder geistige Einschränkungen beispielsweise werden im Kita-Alltag zwar nicht ausgeblendet, die Kinder werden aber auch nicht auf diese persönliche Eigenschaft reduziert oder in speziellen Fördergruppen betreut. Somit wird Ausgrenzung oder Stigmatisierung vermieden. Da ohnehin jedes Kita-Kind ganz individuelle Bedürfnisse hat, fördert das Personal die Entwicklung jedes Einzelnen.
Inklusion bezieht alle Kinder mit ein – nicht nur jene mit Einschränkungen
Ein einheitliches pädagogische Betreuungskonzept für Inklusion gibt es nicht. Zudem existieren regionale Unterschiede und für jede Kita unterschiedliche Förderbedingungen. Manche Kitas orientieren sich am Ansatz der vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung, manche an der Montessori-Pädagogik. Mal liegt der Fokus auf der persönlichen Entwicklung des Kindes, mal auf den Spiel- und Lernsituationen im Alltag oder auf der Interaktion in der Gruppe. Allen Kitas ist gemeinsam, dass sie inklusive Werte wie Integrität, Gemeinschaft, Gleichbehandlung, Teilhabe, Gleichberechtigung, Mitgefühl und die Anerkennung von Vielfalt mithilfe multiprofessioneller Teams und finanzieller Förderungen intensiv weiterentwickeln.
Inklusions-Pädagogik in Bildern
3 Fragen an eine inklusive Kita
Kindertagesstätte „Waldsternchen“, Seddiner See
Die Kita „Waldsternchen“ in der brandenburgischen Gemeinde Seddiner See ist eine Projekt-Kita für Inklusion. Was diese Ausrichtung für den pädagogischen Alltag bedeutet und wie die Kinder und Eltern hiervon profitieren – davon berichtet die Kita-Leiterin Katrin Breitag. Die Einrichtung war eine der Finalisten-Kitas für den Deutschen Kita-Preis 2019.
Warum haben Sie bzw. Ihre Einrichtung sich für genau dieses Konzept entschieden? Worin sehen Sie die besonderen Stärken dieses Ansatzes?
Unsere Einrichtung ist seit 2015 auf dem Weg der Inklusion. Wir haben uns dazu entschieden, weil wir den Kindern nicht weiter das Gefühl geben wollten, anders zu sein– nur weil sie in eine Integrationsgruppe gehen.
Die Mädchen und Jungen, die außerhalb des Gruppengeschehens gefördert wurden, sollten nicht mehr das Gefühl haben „mit mir stimmt etwas nicht, darum muss ich extra lernen“. Wir wollten, dass kein Kind stigmatisiert wird und somit auch, dass es keine separaten Integrationsgruppen mehr gibt. Nun spielen alle Kinder gemeinsam überall zusammen und lernen auch miteinander. Wir sind offen für jedes Kind aus unserem Sozialraum und heißen es willkommen. Für uns bedeutet Inklusion: Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nach dem Motto „gemeinsam statt einsam“.
„Kein Kind soll das Gefühl haben: Mit mir stimmt etwas nicht.“
Wodurch hebt sich das Konzept einer inklusiven Kita Ihrer Meinung nach von anderen pädagogischen Konzepten ab?
Wir arbeiten mit dem pädagogischen Ansatz der Vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung. Dieser Ansatz hat sich bewährt, um jedes einzelne Kind zu stärken und das soziale Miteinander der Kindergruppe zu verbessern. Zur praktischen Umsetzung der Inklusion müssen Barrieren, Ungerechtigkeiten und Diskriminierung abgebaut werden. Dies betrifft das alltägliche Leben in der Kindertagesstätte genauso wie die Rahmenbedingungen, die Zusammenarbeit mit den Familien und die Zusammenarbeit im Team.
In unserer Kita geht es darum, einen Lebensraum für Kinder zu schaffen, der Vielfalt ermöglicht. Sie dürfen erfahren, dass alle Menschen gleich und dennoch verschieden sind. Mit all ihren unterschiedlichen körperlichen, geistigen, psychischen, geschlechtlichen, religiösen, kulturellen, sprachlichen und sozio-ökonomischen Voraussetzungen sind sie doch alle Kinder mit Bedürfnissen und Interessen. Die Kinder dürfen sich gegenseitig in ihrer Vielfalt erleben. Sie lernen voneinander, spielen miteinander und sollen darin gestärkt werden, auch im Erwachsenenalter Vielfalt als Gesellschaftskonzept zu sehen. Wir achten darauf, dass jedes Kind und seine Familie in der Kita repräsentiert ist, beispielsweise durch Fotos, Zeichnungen und Familiencollagen.
„Nicht das Kind passt sich an das System der Kita an, sondern die Kita passt sich an jedes einzelne Kind an.“
In unserer Kita gibt es keine externen Angebote (wie Musikschule, Englisch o.ä.), die Kinder von vornherein aufgrund ihrer sozialen Herkunft ausschließen könnten. Wir geben uns die größte Mühe, für alle Kinder die Aktivitäten im Tagesablauf so zugänglich zu machen, dass sie uneingeschränkt teilhaben können. Kinder werden dann unterstützt, wenn sie Hilfe benötigen. Wir beobachten alle Kinder sehr genau. Zum Beispiel im Morgenkreis. Hier wird ermöglicht, dass ein Kind, was sich zum Beispiel nicht so lange konzentrieren kann, Auszeiten bekommt und im Anschluss immer wieder die Möglichkeit hat, teilzunehmen.
Der Begriff der Inklusion versteht unter Partizipation nicht die bloße Teilnahme an Aktivitäten und die Hereinnahme in bestehende Systeme, sondern eine aktive Teilhabe und das Anpassen bestehender Systeme. Sprich: Nicht das Kind passt sich an das System der Kita an, sondern die Kita passt sich an jedes einzelne Kind an.
Wie leben Sie das Konzept der inklusiven Kita ganz konkret im Kita-Alltag?
Uns ist es wichtig, täglich den Kindern verlässliche und vertraute Bezugspersonen zu sein. Wir vermitteln jedem Kind, dass es richtig ist, so wie es ist, egal woher es kommt, welche äußeren Merkmale es hat, mit welchen Fähigkeiten und Vorlieben es bei uns ist. Wir bestätigen Gefühle und benennen (spiegeln) diese.
Wir arbeiten bedürfnisorientiert, das heißt, dass jedes Kind dann die Unterstützung bekommt, wenn es sie braucht. Dafür ist unser Team multiprofessionell aufgestellt: wir haben Erzieherinnen und Erzieher, pädagogische Zusatzkräfte, Heilpädagoginnen und eine Sprachpädagogin. Alle Teammitglieder fungieren als Bezugsperson für die Kinder und als Ansprechpartner für die Eltern. Kein Kind wird von vornherein von Aktivitäten im Tagesablauf ausgeschlossen. Stattdessen machen auch Kinder mit erhöhtem Förderbedarf (geistig oder körperlich eingeschränkt), bei Bedarf mit einer Begleitperson, selbstverständlich bei allen Gruppenaktivitäten mit. Den anderen Kindern wird deutlich gemacht: „Solltest auch du Hilfe benötigen, bekommst du sie genauso!“ Braucht ein Kind mal ganz individuelle Begleitung oder „Auszeiten“, ist das natürlich auch möglich. Dafür haben wir beispielweise einen Snoezelraum, in dem es mit einer Begleitperson zum Beispiel Entspannungsübungen machen kann.
Kinder mit und ohne Unterstützungsbedarf werden im gemeinsamen Spiel begleitet
Um das gemeinsame Spiel zu fördern, helfen die Fachkräfte Kindern mit Unterstützungsbedarf, sich Spielepartner zu suchen, diese anzusprechen und sich an die Spielregeln zu halten. Gleichzeitig unterstützen sie die anderen dabei, das Kind mit Unterstützungsbedarf ins Spiel einzubeziehen und beispielsweise mit dessen eigener Sprache umzugehen, ohne dabei die eigenen Bedürfnisse hintenan zu stellen. Auf diese Weise profitieren alle Kinder gleichermaßen sowohl von unserer Unterstützung als auch voneinander.
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