sechzehn + drei =

vierzehn − 12 =

Die Kita-Zeit, in der die Kinder mit Gleichaltrigen und anderen Erwachsenen zusammenkommen, neue Dinge entdecken, spielen und lernen, ist prägend für den frühkindlichen Spracherwerb. Zumal die Fachkräfte diesen bei jedem Kind auch auf unterschiedliche Art und Weise fördern. Manche Jungen und Mädchen können jedoch wegen geistiger oder körperlicher Beeinträchtigungen, Entwicklungsstörungen oder traumatischen Erlebnissen nur sehr wenig oder überhaupt nicht sprechen. Damit sie trotzdem am normalen Kita-Leben teilnehmen und sich mit Gleichaltrigen und den Fachkräften verständigen können, werden Sie noch einmal extra gefördert, etwa indem sie Gebärden lernen.

Inklusive Sprachförderung

Im Sinne der inklusiven Pädagogik ist es wichtig, dass sich solche Kinder trotz oder gar wegen des Förderangebots nicht ausgegrenzt fühlen. Sprich: Am besten ist es, wenn alle anderen Kinder auch mitmachen. Das ist auch das Anliegen der Erzieherin und Sprachpädagogin Isabelle Woloszczuk in der Kita Kleiner Globus in Dresden, Nominierte des Deutschen Kita-Preises 2020. Sie schildert anhand von drei Beispielen, wie Gebärden und gebärdenunterstütze Kommunikation nicht nur bei förderbedürftigen, sondern bei allen Kita-Kindern gut ankommt:

1. Gebärden unterstützen förderbedürftige Kinder und Eltern im Kita-Alltag

„Meine Aufgabe ist es, Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen gezielt zu fördern und ins Gruppengeschehen zu integrieren. Im Moment arbeite ich mit zwei Geschwistern, die wahrscheinlich aufgrund ihrer Fluchterfahrung weder Deutsch noch ihre eigene Muttersprache sprechen, und das, obwohl sie schon bald in die Schule gehen könnten. Weil sie weder geistig noch im Hören beeinträchtigt sind, verstehen sie ihre Muttersprache sehr gut und das Deutsche auch schon ein bisschen. Wenn ich also frage ‚Was möchtest du trinken?‘, dann erfassen sie zwar, was ich meine, aber sie können nicht antworten. Hier hilft uns dann die Gebärdensprache weiter:

Video: Was möchtest du trinken… in Gebärden

Bei Kindern achte ich immer darauf, die Gebärden sehr groß zu machen, damit sie diese erkennen und auch nachmachen können. So bringe ich ihnen in Frühförderungsstunden bei, mittels einfacher Gebärden in Kita-typischen Situationen zu reagieren und sich auszudrücken. Dabei beziehe ich auch die Eltern ein und versuche, mit ihnen einmal in der Woche die Gebärden durchzugehen, die ihre Kinder gerade lernen. Schließlich haben sie selbst ja auch Probleme, ihre Kinder zu verstehen. So bauen sich die Familien mit der Zeit ein Vokabular in Gebärden für die Kita und zuhause auf – denn ohne Lautsprache funktionieren die Gebärden ja vor verschiedenem kulturellem Hintergrund. Viele Eltern sind fasziniert, wie einfach ihnen diese Art der Kommunikation auch zuhause weiterhilft:

Video: Komm wir gehen raus… in Gebärden

Die Deutsche Gebärdensprache, in der ich selbst Muttersprachlerin bin, soll den Kindern aber nur eine Brücke ins Deutsche sein. Besser geeignet, um sprechen zu lernen, ist die gebärdenunterstützte Kommunikation.“  

2. Gemeinsam spielen: Alle Kinder haben einen Gebärdennamen

„Merkmal der gebärdenunterstützten Kommunikation ist es, dass die Laute ‚normal‘ ausgesprochen werden und die wichtigsten Worte während des Sprechens zusätzlich gebärdet werden. Damit können sich die förderbedürftigen und nicht-förderbedürftigen Kinder sowie die Fachkräfte verständigen. Ich versuche beim Essen, Lesen oder Singen immer wieder neue, gebärdete Worte einzuführen. Diese schreibe und zeichne ich dann auf Wortkärtchen, die von den Kindern verziert werden:

„Hallo ich bin Lina!“ – Dien Begrüßung, den eigenen Namen sowie den Namen der anderen beherrschen mittlerweile alle Kinder (Foto: I. Woloszczuk).

Jedes Kind hat eine eigene Gebärde, die bei der Ansprache zusätzlich zum Namen gezeigt wird. Diese hat entweder mit dem Aussehen oder mit einer typischen Eigenschaft des Kindes zu tun, das zeigt diese Bildergalerie:

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© Bilder: I. Woloszczuk.

Es war ein schönes Erlebnis, als wir zum ersten Mal mithilfe dieser Namensgebärden ‚Mein rechter rechter Platz ist frei‘ gespielt haben. Denn davor konnte ein förderbedürftiger Junge nie klar sagen, wer neben ihm sitzen sollte. Als alle Kinder die Gebärdennamen von sich und den anderen gelernt hatten, spielten wir das Spiel einfach ohne Worte: Der Junge und die anderen Kinder wünschten einander mit dem Gebärdenamens herbei – und waren mächtig stolz, als sie merkten, dass es funktioniert.“

3. Ein Pi-Pa-Putziger Igel“ in Gebärden wird zum Lieblingslied

„Besonders beliebt bei den Kindern ist das bekannte Lied ‚Pi-Pa-Putziger Igel‘, das wir oft im Morgenkreis singen – und zwar mit lautunterstützenden Gebärden. Zu Beginn habe ich das Lied noch allein gebärdet, während die Kinder, die das Lied schon kannten, mitsingen konnten. Nach und nach brachte ich den Kleinen dann die Gebärden zum Refrain bei, indem wir diese aufgezeichnet, aufgeklebt und fleißig geübt haben:

„Ein Pi-Pa-Putziger Igel im Sti-Sta-Stachelkleid…“ – der Refrain des Igelliedes mit den entsprechenden Gebärden (Foto: I. Woloszczuk).

Nach dem Refrain kamen noch einzelne ‚Schlüsselwörter‘ für die erste Strophe hinzu, dann für die zweite Strophe, und so weiter… bis die Kinder das Lied jetzt, nach eineinhalb Monaten super mitsingen und mitgebärden können. Hier singe ich den Refrain und die erste Strophe mit Gebärden vor:

Die Kinder lieben es, das Lied zu singen und die Gebärden zu benutzen, besonders beim Refrain. Manchmal singen sie das Igellied ganz von allein beim Mittagessen, oder einfach unbewusst beim Spielen. Bald wollten wir es den Eltern in einer kleinen Aufführung vormachen.“

© alle Videos auf dieser Seite: I. Wolosczcuk.

Schwerpunkt: Frühkindliche Sprachbildung
Sprache kann so viel bedeuten… Hier finden Sie alle Beiträge zu unserem Schwerpunktthema auf einen Blick.

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