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Der Neubau oder die Sanierung einer Kita ist immer auch eine Chance, die Räumlichkeiten noch stärker nach den Bedürfnissen der Kinder, Fachkräfte und Eltern auszurichten. Am besten gelingt dies, wenn alle Gruppen bereits bei der Planung des Gebäudes oder der Außenflächen aktiv mitwirken können. Doch wie lässt sich Partizipation bei der Architektur einer Kita tatsächlich umsetzen? 

Wir haben mit der Berliner Architektin Susanne Hofmann gesprochen. Die Professorin und Inhaberin eines Architekturbüros hat sich auf partizipative Bauplanung spezialisiert und in den letzten Jahren mehrere Kindergärten gebaut – unter aktiver Mitwirkung von Kindern, Eltern, Personal sowie den zuständigen Behörden und Ämtern.

 

Frau Hofmann, wie gehen sie vor, wenn Sie eine Kita partizipativ planen?

Susanne Hofmann (©dieBaupiloten)

Zunächst einmal schauen wir uns, wenn möglich, eine andere Einrichtung des Trägers an und besprechen mit diesem die baulichen und funktionalen Anforderungen an den Neubau. Bei einer Sanierung untersuchen wir den Bestand. Im Rahmen einer eintägigen Hospitation beobachten und protokollieren wir den Kita-Alltag, um herauszufinden, welche Aktivitäten und Rituale im Mittelpunkt stehen.

Der eigentliche Partizipationsprozess beginnt dann mit den Workshops, die wir separat mit Erwachsenen und Kindern durchführen. Je nach Projekt sind neben der Kita-Leitung, Fachkräften und Trägervertretern auch Eltern eingeladen, sich zu beteiligen. Anhand von Planspielen, Wort- und Bildcollagen können wir gut herausfinden, welche Wünsche die Erwachsenen an die Gestaltung und die Atmosphäre der Räume haben. Um die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder herauszufinden, lassen wir diese gerne ihre Vorstellungswelten kleben, malen oder bauen. Manche sind sehr selbstständig und legen von alleine los, andere brauchen etwas mehr Anleitung, das kommt ganz auf die Kinder an.

„Eine Methode, die sich gut für Kitas eignet,
ist das Urban Storytelling.“

Wie schaffen Sie es, Kita-Kinder angesichts ihres jungen Alters effektiv mit einzubeziehen?

Natürlich kann man mit Kindern nicht über Architektur oder Raumgestaltung sprechen, das ist viel zu abstrakt. Eine Methode, die sich gut für Kitas eignet, ist das „Urban Storytelling“. Das heißt, wir entwickeln für jede Einrichtung ihre eigene Geschichte, die wir dann im Rahmen des Partizipationsprozesses gemeinsam weiterspinnen. Auf dieser bildlichen Ebene führen wir Gespräche mit den Kindern, lassen sie erzählen, singen, malen und Modelle bauen. Wenn es gut läuft, finden die Kinder es richtig spannend, ihre Traumwelten selbst zu erschaffen, sie versinken regelrecht darin. Wir beobachten sie dabei, hören aufmerksam zu, fragen nach und versuchen, die Ideen, die Atmosphäre und selbst die Details einzufangen. Man braucht Geduld, um die Wünsche der Kinder herauszufinden, aber mit der Zeit entwickelt man ein gutes Gefühl dafür.

 

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Können Sie uns Beispiele für solche Geschichten geben?

In einer Kita war beispielsweise die Liedergeschichte vom Traumzauberbaum sehr präsent. So wurden in der Projektwoche immer wieder diese Lieder gehört und gesungen. Schließlich durften die Kinder ihre eigenen Traumzauberbäume malen und gestalten. Diese waren geprägt von mit Schätzen gefüllten Träumen, Glitzer, Schmetterlingen und geheimnisvollen Geräuschen.

In einer anderen Kita beschäftigten sich die Kinder gerne mit den Geschichten von Astrid Lindgren. Besonders angetan hatte es ihnen die geheimnisvolle Eiche von Pippi Langstrumpf, in der Limonade wächst. So haben wir uns die Geschichte vom Limonadenbaum ausgedacht und die Kinder angeregt, die verschiedenen Orte im Baum in ihrer Phantasie auszugestalten. Heraus kam ein Kinder-Modell, in dem die Limonade durch die Kita floss und es zahlreiche Geheimverstecke für Piratenschätze gab.

„Es geht um Orte,
an denen die Kinder gerne wären.“

Lassen sich so ausgefallene Kinderwünsche wie Glitzer und Limonadenbaum überhaupt realisieren?

Es geht bei den Modellen und Gesprächen ja nicht um konkrete Räumlichkeiten, sondern eher um Orte, an denen die Kinder gerne wären. Die Geschichten dienen als gemeinsame Kommunikationsebene, um herausfinden, in welcher Atmosphäre sich die Kinder wohlfühlen. Daraus ziehen wir dann unsere Schlüsse für die Architektur. Natürlich erschaffen wir keine Zauberwelten und beachten alle baulichen Vorschriften und praktischen Anforderungen an eine Kita. Aber die fertigen Räume sollen an die Modelle erinnern: So haben wir das Glitzern in die Kita gebracht, indem wir viele Farbplättchen unter ein großes Oberlicht gehängt haben, die je nach Sonneneinfall bunte Farbschatten an der Wand tanzen ließen. Und das Limonadengelb von Pippi Langstrumpfs Baum zieht sich tatsächlich – wie ein Fluss – thematisch durch alle Räume. In den Garderoben hängen zum Beispiel große gelbe Stoffsäcke in (Limonaden)Tropfenform, dort können die Kinder sich oder ihre Schätze verstecken. Es gibt außerdem Geheimgänge und Aussichtspunkte.

Was wünschen sich Kinder am meisten? Unterscheidet sich das von den Erwachsenen?

Was wir in den Kinder-Traumwelten immer wieder finden, ist der Wunsch, sich zu verstecken, verbunden mit der Möglichkeit, den anderen Kindern immer wieder zu begegnen, etwa über Brücken oder Stege. Die meisten Kinder wünschen sich viel Platz zum Bewegen, aber auch kuschelige Ecken. Und natürlich immer wieder Glitzer und Edelsteine. Diese Welten unterscheiden sich im Grunde kaum von denen, die in unseren Erwachsenen-Workshops entstehen. Sie werden dort eben nur anders beschrieben: mit Licht, Holz, warmen Farben, Geborgenheit, Vielseitigkeit, den Adjektiven laut und leise. All diese verschiedenen Situationen wollen wir anhand der baulichen Gestaltung und der Möblierung zulassen.

„Durch Partizipation
wird das Gebäude lebendig.“

Wie profitieren die Beteiligten vom Partizipationsprozess?

Durch die Partizipation ist das Gebäude nicht nur eine Hülle für einen bestimmten Zweck, sondern es wird lebendig. Für uns Architekten ist auch der Perspektivwechsel, also die Integration der Kindersicht in unser Denken und Planen sehr spannend, er eröffnet uns viele neue Möglichkeiten. Das Personal, die Eltern und die Kinder wiederum identifizieren sich natürlich stärker mit ihrer Kita, wenn diese ihren Wünschen entspricht.

Erkennen die Kinder ihre Ideen in der fertigen Kita wieder?

Ich denke, dass sich insbesondere die ganz Kleinen manchmal nicht mehr erinnern und im Neubau keine Verbindung zu ihren eigenen Modellen herstellen können. Aber sie freuen sich dann eben einfach so, wenn sie in der neuen Kita einen Geheimgang oder etwas Glitzerndes finden. Bei den Größeren ist das schon anders, vor allem dann, wenn wir uns im Nachgang noch einmal auf die Geschichte beziehen. Dann erkennen die Kinder bestimmte Elemente aus ihren Entwürfen wieder und sind stolz darauf, dass das ihre Ideen waren und sie bei der Planung dabei sein durften.

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