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Bundeskongress „Qualität in der frühen Bildung“

 

Es gibt ja dieses nigerianische Sprichwort: „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen.“ Dem kann ich nur zustimmen – ein ganzes Dorf würde uns Eltern eine Menge Druck von den Schultern nehmen und die Kinder würden in einer großen Gemeinschaft aufwachsen.
Die Realität sieht nur leider ganz anders aus. Die Großeltern, Tanten und Onkel wohnen oft hunderte Kilometer entfernt, durch die Anonymität der Großstadt fällt es Vielen nicht leicht, neue Kontakte zu knüpfen.

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Kinder in ihrer Entwicklung begleiten

Wenn ich also überlege, zu welchen Erwachsenen außer meinem Mann und mir, meine Kinder ein Vertrauensverhältnis haben, lande ich ganz schnell bei den Erziehern und Erzieherinnen in der Kita. Das ist nicht verwunderlich, schließlich verbringen die Kinder jeden Tag einige Stunden mit den Erziehern, machen mit ihnen wichtige Erfahrungen, werden von ihnen getröstet, motiviert und gefördert.

Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten sei eine wunderbare Aufgabe, sagt Katarina Fuchs, die über fünf Jahre eine Kita in Köln geleitet hat. „Erzieher legen mit ihrer Arbeit die Grundlage dafür, dass Kinder zu autonomen Persönlichkeiten heranwachsen. Sie bereiten Kinder darauf vor, an der Gesellschaft teilzuhaben und unterstützen sie dabei, ihren eigenen Weg zu finden.“

DKJS/F.Schmitt

Heute arbeitet Katarina Fuchs nicht mehr in einer Kita, sondern bei der Deutschen Kinder-und Jugendstiftung. Dort betreut sie das Programm Qualität vor Ort – ein Programm, dass sich für frühkindliche Bildung in Kitas einsetzt. Vor Kurzem fand der Bundeskongress „Qualität in der frühen Bildung“ in Berlin statt, zu dem Vertreter von Kitas, Trägern und Gemeinden eingeladen waren, um zu erfahren, wie man Kinder noch besser fördern kann. Ich darf dabei sein und erlebe, wie engagiert sich diese Menschen für das Wohl unserer Kinder einsetzen.

 

Was ist eigentlich frühkindliche Bildung?

Ich selbst habe drei Kinder im Alter von 1,5 Jahren, vier und sieben Jahren. Ich lasse also seit sechs Jahren eins oder mehrere Kinder fremdbetreuen – bisher hatte ich aber wenig Einblick hinter die Kulissen. Der Bundeskongress zum Thema „Qualität in der frühkindlichen Bildung“ war für mich also extrem spannend.

Was aber bedeutet frühkindliche Bildung genau? „Es bedeutet auf jeden Fall nicht, zweijährige Kinder in Chinesisch-Kurse zu stecken“, sagt Katarina Fuchs. „Vielmehr geht es um soziale Kompetenzen. Wie verhält sich ein Kind in einer Gruppe, wie bereiten wir Kinder auf die Schule vor. Wie schaffen wir es, dass alle Kinder die gleichen Chancen haben – egal aus welchem Elternhaus sie stammen.“

Denn leider ist es nach wie vor zu oft so: Die Bildung der Kinder hängt von der Bildung der Eltern ab. Um es vereinfacht auszudrücken: Haben die Eltern studiert, ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind auch auf die Uni gehen wird, größer, als wenn die Eltern im Supermarkt arbeiten. Kinder aus finanziell besser gestellten Familien haben immer noch einen klaren Vorteil, wenn es um Ausbildung geht.

 

Kinderarmut in Deutschland

Wie viele Kinder in Deutschland als arm gelten, hat mich nachhaltig schockiert. Die Soziologin Beate Hock hat auf dem Bundeskongress einen Vortrag über Kinderarmut in Deutschland gehalten. Doch ab wann gilt eine Familie eigentlich als arm?

Erwirtschaftet eine Familie weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens, rutscht sie unter die Armutsgrenze – bei einer Familie mit zwei Kindern liegt diese bei 2233 Euro, bei Alleinerziehenden mit einem Kind bei 1382 Euro. Etwa ein Viertel aller Kinder unter 15 Jahren lebt in diesem unteren Einkommensbereich.

Wie schnell vor allem Alleinerziehende unter diese Grenze rutschen, zeigt die Statistik: 54 Prozent aller Alleinerziehenden mit zwei Kindern gelten als arm, haben sie nur ein Kind sind es immer noch 45 Prozent. Und auch bei Paarhaushalten steigt mit der Anzahl der Kinder das Armutsrisiko: Mit zwei Kindern liegen 10 Prozent unter der Grenze, mit drei oder mehr Kindern schon 27 Prozent.

Wenn die Eltern gar nicht erwerbstätig sind und Sozialleistungen beziehen, hat dies ebenfalls Auswirkungen auf die Kinder, sagt Soziologin Beate Hock. 43, 2 Prozent der Kinder, deren Eltern Sozialgeld erhalten, verfügen über mangelnde Deutschkenntnisse, (zum Vergleich ohne Sozialgeld: 14,3 Prozent) 28 Prozent haben Probleme beim Zählen (ohne Sozialgeld 12,4 Prozent) , 8,8 Prozent leiden an Adipositas (ohne Sozialgeld: 3,7 Prozent).

DKJS/F.Schmitt

Die Soziologin beklagt auch, dass die Durchmischung in vielen Kitas heute einfach nicht mehr stimmen würde. In sozialen Brennpunkten gäbe es einfach keine Ausgewogenheit mehr.

Das kenne ich ebenfalls – wenn auch die andere Seite. Ich habe einige Jahre in Berlin Prenzlauer Berg gelebt, meine große Tochter ging dort in die Kita. Die Eltern fast aller Kinder dort waren Akademiker, die Kinder trugen klassische, deutsche Namen und hatten hochwertige Klamotten an. Als ein monatlicher Essenszuschlag eingeführt wurde, der mehr Qualität garantieren sollte, sagte niemand, dass er sich das nicht leisten könne.
Heute leben wir im Südwesten Berlins, in der jetzigen Kita gibt es gibt Kinder aus Regenbogen-Familien, mit Migrationshintergrund, mit Inklusionsbedarf, mit Handwerkereltern, manche stammen aus Ärztefamilien. Für mich persönlich fühlt sich das gesünder an als diese „Einheitssuppe“ aus der früheren Kita.

Doch wie holt man alle Kinder aus allen Schichten ins Boot? Die Soziologin Beate Hoch fasste zusammen, was sich in ihrer Heimatstadt Wiesbaden bewährt hatte, um alle Kinder in den Kitas zu fördern:

1. Es muss ausreichend Plätze geben für alle Kinder
2. Ganztagsplätze nicht nur für Kinder, deren Eltern erwerbstätig sind. Gerade Kinder von Sozialgeld-Beziehern brauchen Förderung
3. Eine gute soziale Durchmischung der Gruppen
4. Gute Vernetzung im Sozialraum der Stadt
5. Erziehungspartnerschaften von Eltern und Erziehern

 

Für mich war es spannend, zwischen all den Personen zu sitzen, die sich jeden Tag dafür einsetzen, aus einer Kita eine gute Kita zu machen. Währenddessen habe ich auch überlegt, ob ich die Kita, in die mein vierjähriger Sohn geht, als „gut“ bezeichnen würde. Und ja – das würde ich. Meinem Gefühl nach gehen die Erzieher dort sehr liebevoll auf die Kinder ein, unterstützen ihre Begabungen, helfen ihnen bei Schwierigkeiten. Und auch die Kommunikation mit uns Eltern würde ich als sehr angenehm bezeichnen.

„Erzieher und Eltern sollten Erziehungspartnerschaften bilden und gemeinsam das Kind im Blick haben“, sagt auch die ehemalige Kitaleiterin Katarina Fuchs. Eine gute Eltern-Erzieher-Verbindung sei ein wichtiges Qualitätsmerkmal einer Einrichtung.

 

Gute Qualität durch neues Gesetz

Um die Qualität in den Kitas in ganz Deutschland voran zu bringen, hat die neue Bundesregierung vor Kurzem das „Gute Kita Gesetz“ auf den Weg gebracht. „Das Gesetz enthält neun verschiedene Instrumente, um die Länder bei der Verbesserung der Kita-Qualität zu unterstützen – von der Gebührenbefreiung über den Betreuungsschlüssel bis zur Sprachförderung“, sagte die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) dazu in einem Zeitungsinterview. Der Bund wolle den Ländern dafür in dieser Wahlperiode zusätzlich 3,5 Milliarden Euro bereitstellen.

DKJS/F.Schmitt

Die Bundesfamilienministerin forderte auch, dass sich Ausbildung, Arbeitsbedingungen und Bezahlung der Erzieher verbessern müssten, um den Beruf attraktiver zu machen. Es helfe nicht, einfach Fachkräfte aus dem Ausland herzuholen, man müsse schon dafür sorgen, dass der Beruf hier attraktiver werde und sich mehr junge Leute dafür entscheiden würden.

Auch ich merke in unserem Kita-Alltag immer wieder, wie schwer es ist, gutes Personal zu finden. Eine Erzieherin sagte mir mal, dass einfach keiner mehr Lust habe, diesen – auch oft sehr anstrengenden – Job zu diesen Konditionen zu machen. Und auch auf dem Bundeskongress kam in den Diskussionsrunden immer wieder durch: Die Arbeit von Erziehern wird zu wenig wertgeschätzt, viele gute Ansatzpunkte könnten in der Praxis aus Zeit-und Personalmangel gar nicht umgesetzt werden.

Umso wichtiger finde ich, dass den Erziehern Wege aufgezeigt werden, wie sie der Hektik auch mal entkommen und wie sie es schaffen, dass ihr Alltag nicht eine einzige Stressfalle ist. Auf dem Programm des Bundeskongresses standen deshalb auch Themen wie „Wie gelingt es trotz des Zeitdrucks im beruflichen Alltag, den Überblick und Gelassenheit zu behalten?“ oder „Ein bewegter Arbeitsplatz – ein Gesundheitsförderung für pädagogische Fachkräfte.“

Besonders gefreut habe ich mich über die Workshop-Angebote zum Thema „Inklusion“ (weil ich einfach glaube, dass das Thema immer wichtiger wird) und „Kitaqualität aus Kindersicht“(weil es immer gut ist, diejenigen zu fragen, um die es sich dreht).

 

Was ich persönlich mitnehme

Ich bin keine pädagogische Fachperson, vielleicht war es deshalb besonders spannend für mich, mal „Mäuschen zu spielen“. Von dem zweitägigen Bundeskongress nehme ich wichtige Erkenntnisse mit:

1. Die Stimmung auf der Tagung war extrem gut. Die Menschen wirkten fröhlich und wissbegierig, von Abstumpfung oder Resignation keine Spur. In den Diskussionsrunden wurde aber keine Augenwischerei betrieben, sondern konstruktiv und ehrlich mit einander gesprochen.

2. Es mag sicherlich Pädagogen geben, die nur noch Dienst nach Vorschrift machen. Die Menschen dort habe ich aber alle als motiviert und engagiert erlebt und mir war nicht bewusst, wie viele tolle Angebote viele Kommunen, Städte und Gemeinden für Familien haben.

3. Die Wichtigkeit guter Erzieher ist mir nochmal bewusst geworden. Und dass es allen Erziehern gut tut, wenn man ihnen Feedback gibt. Als ich nach dem Bundeskongress meinen Sohn abgeholt habe, habe ich seiner Bezugserzieherin gesagt, dass sie einen super Job macht und ich richtig glücklich über sie bin. Sie hat sich sehr darüber gefreut. Vielleicht sollten wir Eltern viel öfter einfach mal DANKE sagen.

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