eins + 14 =

dreizehn + sechzehn =

Kinderbetreuung – Gemeinsam gute Qualität schaffen

Ein Gastbeitrag der Bloggerin Mama Berlin:

Steht das Thema Kinderbetreuung an – so meine Erfahrung – schlagen die Wellen schnell hoch. Es wird noch immer gerne und heftig darüber gestritten, was denn nun das „Beste für die Kinder“ sei. Dabei gibt es ein Gefälle zwischen den Eltern aus Großstädten und denen, die in den Kleinstädten oder im ländlichen Raum leben und noch immer sehr deutlich zwischen den alten und neuen Bundesländern. Ich stelle fest, dass es bei diesen teils hitzigen Diskussionen im Kern oft viel weniger um die Kinderbedürfnisse geht, sondern viel mehr um die Befindlichkeiten der Eltern. Oft spielen die Herkunft und die eigene Prägung den elementaren Teil bei der Urteilsbildung – und in welchem Maß diese Dinge angenommen, bzw. hinterfragt wurden.

Ich selbst bin in den 1970er Jahren in den westdeutschen Städten Köln und Hamburg und in „bürgerlichen Verhältnissen“, wie es damals hieß, aufgewachsen. Die Situation war für uns Kinder fast immer folgende: Die Eltern waren verheiratet, bezüglich der Aufgabenverteilung in der Familie herrschte zumindest in meinem Umfeld eine klare Rollenverteilung nach Geschlecht. Auch mein Vater war in erster Linie für die finanzielle Versorgung unserer Familie zuständig, meine Mutter für Haushalt und Erziehung, das galt zumindest so lange, bis die Kinder aus dem Haus waren. Auch bei all meinen Freunden war das so, andere Familienmodelle kannte ich nicht. Im Alter von 3 Jahren gingen Kinder in den Kindergarten – von 9 Uhr bis 12 Uhr – Mittag gegessen (und das war sehr, sehr wichtig) wurde immer zu Hause! Bei Mama, die natürlich selbst gekocht hatte.

In meiner Kindheit galt Nachmittagsbetreuung als bedauernswert

Auch meine gesamte Schulzeit hinweg blieb das so. Nachmittagsbetreuung wurde für gewisse Ausnahmen angeboten, war aber kompliziert zu organisieren. Und diese Familien galten auch irgendwie als „nicht ganz in Ordnung“. Es waren Kinder von Alleinerziehenden oder mit Eltern, die nur ein geringes Familieneinkommen hatten. Vor allem die Sache mit dem Mittagessen, das diese Kinder nicht gemeinsam mit ihrer Mutter einnehmen konnten, galt als bedauernswert. Ich selbst hatte Mitleid mit diesen Kindern: „Die ganze Zeit im Kindergarten. Das muss doch schlimm sein“, sagte ich zu meiner Mutter. „Warum dürfen sie nicht zu Hause spielen?“ „Ja“, sagte meine Mutter, „Das ist traurig“. So dachte man damals.

Diese Kinder wurden oft „Schlüsselkinder“ genannt, sie trugen den Wohnungsschlüssel um den Hals (um ihn nicht zu verlieren) und gingen nach dem Hort alleine nach Hause, um dort auf die Eltern zu warten. „Schlüsselkinder“ war eindeutig ein diskriminierender Begriff. Wie viel Unrecht man den Kindern egal ob durch vorgeschobenes Mitleid oder durch die Stigmatisierung tat, wurde ebenfalls nicht wirklich wahrgenommen.

Heute ist es eher ungewöhnlich, wenn eine Frau „nur“ Hausfrau und Mutter ist

Heute ist die Situation – zumindest in den deutschen Städten – eine vollkommen andere. Zum Glück, wie ich finde. Die Ganztagsbetreuung ist in einer Stadt wie Berlin, in der ich lebe, nicht mehr Ausnahme, sondern Standard. Vater und Mutter sind berufstätig. Sie leben – ebenfalls im krassen Gegensatz zu früher, in der so ein Umstand noch als Skandal gelten konnte – oft getrennt. Patchwork-Familien, etwas, das es in meiner Kindheit quasi nicht gab, sind heute normal. Für Frauen gilt es nicht mehr als „Notlage“, wenn sie ihr eigenes Geld verdienen – im Gegenteil: Es ist inzwischen ungewöhnlich, wenn eine Frau „nur“ Hausfrau und Mutter ist.

In meinem persönlichen Umfeld wird diese Entwicklung in der Regel positiv begrüßt. Wir Frauen und Mamas freuen uns, dass es heute selbstverständlicher geworden ist, berufstätig, finanziell unabhängig und gesellschaftlich aktiv zu sein, dass es viel mehr Kitaplätze gibt und wir sehen, dass die Betreuung außerhalb des familiären Rahmens bei unseren Kindern oft zu mehr Selbständigkeit, Souveränität und Selbstvertrauen führt und die soziale Kompetenz stärkt.

Da ich von Anfang an alleinerziehend war, gab es für mich keine große Wahl: Ich MUSSTE arbeiten und ich MUSSTE meinen Sohn in die Betreuung geben. Noch während der Elternzeit, mein Sohn war 9 Monate alt, ging es los. Allerdings eine Sache vorweg: So einfach, wie ich es mir vorgestellt hatte, war es dann doch nicht. Das eigene Kind in die Hände anderer geben, birgt auch immer ein Risiko, dass dort etwas passieren kann, das dem Kind nicht gut tut. Ich kann es in dieser Zeit nicht beschützen, nicht trösten, nicht kuscheln und auffangen. Es muss mit anderen Bezugspersonen klarkommen. Das kann eine gute Schule sein, es kann aber auch dem Kind zu viel abverlangen. Und noch eins: Ich merkte, dass es auch im Job nur gut klappen konnte, wenn ich ein ruhiges Gefühl, ein gutes Gewissen gegenüber meinem Kind hatte. Sonst schweiften meine Gedanken ab, meine Konzentration ließ nach und ein innerer Drang zog mich zum ihm, statt mich meine Arbeit verrichten zu lassen.

Wie wir Eltern gute Rahmenbedingungen schaffen können

  • Information. Das sollten Eltern wissen: Die Wahl einer guten Betreuung ist viel Arbeit und zeitaufwendig. Aber diese Recherche vor Ort muss meines Erachtens einfach geleistet werden: 1. Was gibt es überhaupt in meiner Umgebung für Angebote? 2. Was sind die Unterschiede zwischen Tagesmutter, Krippe, Kita, Kindergarten, Spielgruppe, private oder staatliche Betreuung, Nanny oder Kinderladen oder auch das Mama-Homecare-Share-Prinzip (Mama 1 betreut die Kinder montags bei sich zu Hause, Mama 2 die Kinder am Dienstag usw.). Und schließlich 3. Entscheiden, was von den Angeboten passt am besten zu meiner Familie, zu meinem Kind und zu meinen beruflichen Anforderungen? Mit diesen Aufgaben fangen Eltern am besten schon zeitig nach dem Mutterschutz an und auch mit der Anmeldung in der Kita! Auf jeden Fall in mehr als einer und auch dort – zur Sicherheit – wo Du erst mal nicht ganz so überzeugt bist, zurücktreten von einem Platz kannst Du immer noch. Für Berlin gilt: Die Kita-Anmeldung im ersten Lebensjahr des Kindes ist ein Muss geworden.
  • Konstruktive Zusammenarbeit: Du bildest ein Team mit der Kita – es ist nicht Deine Konkurrenz. Als Eltern sollte ich den Fachkräften freundlich, interessiert und offen begegnen, aber auch kritisch sein können. Kann ich über alles mit ihnen reden? Gute Erzieher hören sich die Einwände der Eltern an und müssen sie, soweit es der Tagesablauf möglich macht, auch berücksichtigen. Das fängt bei der Ernährung und den Schlafgewohnheiten an, betrifft aber auch charakterliche Eigenheiten oder auch einfach Befindlichkeiten der Eltern. Es ist als Eltern ebenfalls wichtig, Dinge, die einem auf der Seele brennen, anzusprechen. Ganz wichtig ist es, die Dinge weiterzugeben, die das Kind äußert – im Positiven wie im Negativen. Und für den zweiten Fall auch selbst Lösungswege zu erarbeiten, die den Erziehern unterbreitet werden können.
  • Auch als berufstätige Eltern müssen wir Mama und Papa sein, eine der schwersten Herausforderungen, wie ich finde. Denn ist im Beruf meist schnelle, eigenständige, erfolgsorientierte Arbeit gefragt, oft auch Egoismus, Autorität und Durchsetzungsvermögen, brauchen vor allem kleine Kinder eher Empathie, Weichheit, Empfindsamkeit und ganz banale Zuwendung. Wir Eltern von heute müssen diesen Spagat täglich hinbekommen. Und noch eins: Kita ist kein Elternersatz – es ist im besten Fall eine Ergänzung. Die Erziehung und die Verantwortung bleiben bei den Eltern und sollten auch auf keinen Fall abgegeben werden.
  • Bleibt empfänglich für die Signale eurer Kinder. Es gab immer wieder Zeiten, in denen sich mein Sohn im Schlaf pausenlos wälzte, plötzlich anfing in die Hosen oder ins Bett zu machen, aggressiv und leidig wurde. Kinder können noch nicht sagen: „Hör zu, Mama, es wird mir gerade ein wenig zu viel in der Kita.“ Sie machen einfach immer weiter. Aber ihr Körper und ihre Seele können uns signalisieren, dass es momentan zu viel für sie ist. Ich hatte mich daher beruflich so eingestellt, dass ich genug Lücken hatte, um diese Auszeiten, die mein Sohn brauchte, auch bieten zu können. Ich konnte ein paar Jobs von zu Hause erledigen, ich hatte eine gewisse Mitsprache bei der Einteilung meiner monatlichen Arbeitstage in der Redaktion und ich hatte mir ein kleines Back-up-System geschaffen, das in Notsituationen für die Betreuung zu Hause einspringen konnte.

Mein Sohn ist inzwischen in der 1. Klasse und in der Regel bis 15 oder 16 Uhr im Hort. Ich arbeite meist von zu Hause, habe mir in unserer Wohnung mein Büro eingerichtet und kann meinen Sohn im Krankheitsfall dort auf dem Sofa schlafen lassen, während ich am Computer schreibe. Aber eigentlich ist er fast nie krank. „Ich liebe die Schule, Mama“, sagt er oft. Und wenn ich ihn abhole: „Kann ich noch ein bisschen im Hort bleiben und spielen?“ Im Mai erwarte ich mein zweites Kind, ein Mädchen, und ich weiß schon jetzt: Sie kommt ebenfalls früh in die Kita – denn ich muss und ich möchte weiterhin berufstätig sein. Aber ich weiß auch genau, es wird kein Problem werden.

Aber gemeinsam Essen tun wir trotzdem – am Abend – und genießen das auch. So ändern sich die Zeiten…

Gastbeitrag von: Verena Schulemann/Bloggerin Mama Berlin

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