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KiTas sind immer ein Spiegel ihrer jeweiligen Zeit. Jedes Jahrzehnt hat andere Antworten auf die Fragen: Was ist das Beste für mein Kind? Welche Rolle spielt die Kindertagesbetreuung für die Bildung und Erziehung der Jüngsten?

Dr. Heidemarie Arnhold, Vorsitzende des Arbeitskreis Neue Erziehung (© ANE)

Seit über 70 Jahren beobachtet und begleitet der Arbeitskreis Neue Erziehung (ANE) diese Entwicklungen. Viele Eltern kennen den Verein als Herausgeber der Ratgeber-Elternbriefe. Wir haben uns bei der ANE-Vorstandsvorsitzende Dr. Heidemarie Arnhold erkundigt: Was sind die größten Unterschiede, wenn man KiTa früher und heute vergleicht? Ihre Antworten haben wir in zehn Punkten zusammengefasst:

1) KiTa ist ein wichtiges Bildungsangebot geworden

Kindergärten und Tagespflegeeinrichtungen waren früher zur reinen Betreuung gedacht. Eltern, die aus beruflichen Gründen darauf angewiesen waren, nutzten das Angebot als Ersatz zur familiären Betreuung. Mit der Zeit hat sich das Bildungsverständnis jedoch stark verändert: KiTas werden heute als notwendiges Bildungs- und Förderangebot auf dem Lebensweg eines jedes Kindes anerkannt. Deswegen hat theoretisch auch jede Familie unabhängig von ihrer beruflichen Auslastung Anspruch auf einen Betreuungsplatz für ihr Kind zwischen einem und sechs Jahren.

2) Nicht nur Mütter, sondern auch Väter beanspruchen die Betreuung

Heute haben nicht nur Mütter, sondern auch Väter den Wunsch, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren und beanspruchen selbst die Kindertagesbetreuung für ihr Kind. Das sieht man momentan sehr gut an der wachsenden Zahl von Vätern, die Elternzeit nehmen oder ElterngeldPlus beantragen. Früher sind Kinder nur in die Kita gegangen, wenn die Mutter arbeiten gegangen ist, sonst wurden sie zuhause betreut. Dieses einseitige Rollenbild hat sich grundsätzlich gewandelt.

Früher wurden die Kinder hauptsächlich betreut, heute werden sie besonders gefördert (© DKJS).

3) Die Anforderungen der Eltern an die Qualität von KiTas sind gestiegen

Weil KiTas nicht mehr als reines Betreuungs-, sondern als wichtiges Bildungsangebot gesehen werden, steigen verständlicherweise die Ansprüche der Eltern an die Qualität der Einrichtungen. Während Mütter und Väter früher höchstens geschaut haben, ob das Gebäude in Ordnung ist und die Erzieherinnen nett sind, achten sie heute genau darauf, was die KiTa ihrem Kind bietet. Sie wollen, dass es dort möglichst viel lernt und gut gefördert wird. Wie das konkret aussehen soll, davon haben Eltern wiederum unterschiedliche Vorstellungen.

4) Das Angebot an Kindertagesbetreuung ist vielseitiger geworden

Es existieren heutzutage mehr unterschiedliche Angebote an Kindertagesbetreuung als früher: Je nach Region haben Eltern die Wahl zwischen Waldorf-, Montessori und Fröbel-Kindergärten, mehr- und zweisprachigen Kitas, Musik-, MINT- (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) und Medienschwerpunkten, Waldkitas sowie unzähligen weiteren Ausrichtungen. Staatliche wie freie Träger versuchen, für jeden Markt ein besonderes Kita-Angebot zu entwickeln. Früher hatten Eltern, wenn überhaupt, die Wahl zwischen einem katholischen und einem evangelischen Kindergarten, nur sehr vereinzelt gab es erste Waldorf- und Montessori-Einrichtungen.

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5) Kinder haben mehr Rechte in der KiTa

Die meisten Kinder wurden früher von Erwachsenen bevormundet und hatten wenig Rechte. Mit der Anerkennung der Kinderrechte in Deutschland in den Neunzigerjahren nehmen Jungen und Mädchen eine andere Rolle in der Dreiecksbeziehung Eltern-Erzieher-Kind ein: Sie werden gleichberechtigt behandelt. Ihnen wird nicht nur das Recht auf ein bestimmtes Spiel- und Bildungsangebot zugestanden, sondern auch das Recht, sich zu beschweren, mitzubestimmen und gehört zu werden (hier geht’s zu den Kinderrrechten). Erzieherinnen und Erzieher sind verpflichtet, den Kindern in der KiTa diese Möglichkeiten einzuräumen und ihnen eine gewisse Eigenverantwortung zuzugestehen.

Die Kinder gehen heute mit den Fachkräften eine Beziehung auf Augenhöhe ein – das war nicht immer so (© DKJS / C. Grehl)

6) Kinder sind vor körperlicher und seelischer Gewalt in der KiTa geschützt  

Was viele Eltern nicht wissen: Das Recht von Kindern auf gewaltfreie Erziehung wurde hierzulande erst im Jahr 2000 im Gesetzbuch verankert. Zwar haben die meisten KiTas schon lange vor dieser Zeit davon Abstand genommen, Kinder – wie es etwa noch in den 50er-Jahren üblich war – zu züchtigen. Doch erst mit dem verbesserten öffentlichen Bewusstsein, dass man Kindern nicht mit körperlicher oder seelischer Gewalt begegnen darf, hat sich auch das Erziehungsverständnis in den KiTas richtig verändert: Die Fachkräfte treten nun in eine gleichberechtigtere Beziehung mit den Kindern, sie erklären und argumentieren mehr, lassen ihnen mehr Freiheiten.

7) Es gibt inklusive statt separate Förderangebote

Was die Förderung von benachteiligten oder behinderten Kindern angeht, stand Deutschland im internationalen Vergleich schon immer gut da. Doch damals herrschten andere Vorstellungen von Inklusion: Behinderte Kinder wurden meistens aus ihrem Kontext „herausgenommen“ und in speziellen Einrichtungen gefördert. Der heutige Inklusionsbegriff macht keine Unterschiede zwischen behinderten und nicht-behinderten Kindern, denn jedes Kind muss ja individuell gefördert werden. Das bedeutet, dass behinderte Kinder auch nicht in eine Fördereinrichtung, sondern in den Regel-Kindergarten gehen und dort eine angemessene Betreuung erhalten sollen. Das stellt KiTas wiederum vor besondere Herausforderungen.

8) Der Beruf der Erzieher und Erzieherinnen hat sich geändert

Der Bildungsanspruch, die inhaltliche Vielfalt und auch die Inklusion haben unter anderem dazu beigetragen, dass sich das Berufsverständnis der Erzieherinnen und Erzieher verändert hat: Nämlich weg von der reinen Betreuung wie Essen geben, schlafen legen und beschäftigen, hin zur gezielten Bildungsförderung der Kinder. Die Fachkräfte müssen daher viel mehr können als früher, ihre Aus- und Fortbildung hat einen höheren Stellenwert. So schauen auch Eltern, denen Qualität wichtig ist, häufiger auf die Qualifikation und die Erfahrung des Personals.

9) Immer mehr Eltern wollen sich in der Kita beteiligen

Früher haben Eltern ihre Kinder oft nur in der Kita abgegeben und abgeholt, nur wenige haben hinterfragt, was dort passiert. Erst aus dem neuen Bildungsverständnis heraus entstand der Wunsch vieler Eltern, all das, was in der Kita vonstattengeht, zu überprüfen und sich einzumischen.

Nicht nur Mütter, sondern auch Väter beanspruchen heute die Betreuung – und wollen sich mehr einbringen (© DKJS / P. Chiussi).

Beteiligung ist wünschenswert und sehr wichtig. Anstrengend für die KiTa wird es nur dann, wenn Eltern nicht zwischen der eigenen Rolle und jener der Erzieherinnen und Erzieher unterscheiden. Auch kann man nicht von allen Eltern erwarten, dass sie sich in der Kita aktiv für die Förderung ihrer Kinder einsetzen. Denn manche haben einfach keine Zeit, es fehlt ihnen an Wissen, wie wichtig Bildung ist oder sie sind der deutschen Sprache noch nicht mächtig.

10) Die Ansprüche an die KiTa-Eltern sind gestiegen

Eltern müssen heutzutage viele wichtige Entscheidungen für ihr KiTa-Kind treffen: Welche Einrichtung ist die beste für mein Kind? Was soll es lernen? Wie soll es gefördert werden? Geändert haben sich nicht nur die Ansprüche an die Vorbildung der Eltern, sondern auch an deren Persönlichkeit: Außenstehende erwarten oft, dass Mütter und Väter sich auch in emotionalen und stressigen Situationen – etwa beim Tobsuchtsanfall an der Supermarktkasse – immer korrekt verhalten, ruhig und geduldig bleiben. Sie machen die Eltern persönlich für das verantwortlich, was ihre Kinder tun. Dabei wird übersehen: Eltern sind keine semi-professionellen Erzieher, alle dürfen auch mal Fehler machen.

Mobile Unterstützung für Eltern mit KiTa-Kindern

Welche Bildungsangebote für KiTa-Kinder gibt es in Deutschland? Welche Rechte gelten hierzulande für Kinder verschiedener Altersstufen? Welche Pflichten haben wir als Eltern? Was passiert, wenn ich in ein anderes Bundesland umziehe?

In einfach gehaltenen Texten und in sechs Sprachen gibt es Antworten auf Fragen rund um das deutsche Bildungssystem in der kostenfreien Eltern-App ANE-Bildungsguide.

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